Frankreich gegen Portugal: Eine Ecke, drei Elfer
Der Weltmeister und der Europameister Portugal trennen sich 2:2. Beide müssen noch zu ihrem Spiel finden. Aber Strafstöße können sie schon gut.
Als in der Nachspielzeit Kingsley Coman im Strafraum noch mal fällt, ist das dann doch auch dem Schiedsrichter Antonio Mateu Lahoz einer zu viel. Den vierten Elfmeter an diesem Abend möchte er wirklich nicht geben, und so bleibt es beim vorläufigen Rekord: drei Elfmeter in einem Männer-EM-Spiel, drei von vier Toren Elfmetertore. Interessanterweise nur eine Ecke, für Frankreich.
Der Strafstoß, dieses eigentlich alleräußerste Mittel, prägt eine kuriose Partie, die mit 2:2 spektakulär ist, aber deren Spielfluss unter den Elfmetern auch immer wieder leidet. Welches Team nun das bessere war, bleibt angesichts der Umstände unklar.
Das Spiel zwischen amtierendem Weltmeister und Europameister, nebenbei die Wiederholung des letzten EM-Finals, galt als einer der Höhepunkte der Gruppenphase. Die Partie erfüllt diese Erwartungshaltung dramaturgisch, spielerisch allerdings nur phasenweise. Das liegt schon daran, dass beide Teams übervorsichtig sind an diesem Abend in Budapest und obendrein noch mit 30 Grad Hitze zu kämpfen haben. Die Portugiesen fürchten die Gegenstöße um Mbappé, Griezmann und Benzema, die Franzosen die Klasse von Ronaldo und Jota, und entsprechend wollen beide nicht ins Risiko gehen.
Chancen aus dem Spiel heraus sind rar, von einigen grandiosen Steilpässen von Pogba auf Mbappé abgesehen. Paul Pogba ist das Herzstück der Franzosen, und wenn es ihm gelingt, eine Lücke aufzutun, wird es sofort gefährlich. Allein, das geschieht selten. Die Portugiesen stehen gut, machen das Angriffsspiel der Franzosen zäh, und wieder drängt sich der Eindruck auf, dass die Franzosen zu wenig aus ihrem Traumsturm machen; außer langen Bällen auf die Spitzen fällt ihnen nicht viel ein.
Der Boden der Tatsachen
In der französischen Presse reagierte man zuletzt auf das Remis gegen Ungarn recht wohlwollend: Es sei gut, mal auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden. Die Portugiesen aber zeigen erneut überzeugend, wie man gegen Frankreich spielen muss, setzen selbst über die schwächere Abwehrseite von Hernández Stiche und holen den Gegner damit mehr auf den Boden zurück, als ihm lieb sein dürfte. Wie das alles unter normalen Umständen ausgegangen wäre, wäre interessant gewesen.
Dann aber beginnt der Elfmeterreigen und schafft eine ganz eigene Dramaturgie des Spiels. Viel Wahl hat Lahoz dabei gar nicht, auch die omnipräsenten Kameras mit Superzeitlupen taugen diesmal nicht als Schuldige. Zwei der Strafstöße sind völlig berechtigt und über den halben Platz zu sehen, beide für Portugal; der für Frankreich nach einem fantasievollen Sturz von Mbappé ist klar unberechtigt und wohl in der Kategorie „ausgleichende Gerechtigkeit“ zu verbuchen. Alle Schützen treffen. Das sorgt für ein gut gelauntes Hin und Her, Portugal zwischen Himmel und Hölle und dem nächsten eingestellten Torrekord durch Cristiano Ronaldo, greift aber auch arg in die Spielentwicklung ein. Den einzigen Treffer aus dem Spiel heraus steuert Benzema bei.
Die Ungarn im Stadion interessieren sich indes sowieso eher für das Parallelspiel und tun das so lautstark kund, dass wirklich niemand die Infos der Anzeigetafel braucht. Sie bleiben die einzigen Verlierer des Abends. Gute zwanzig Minuten vor Schluss, als den Portugiesen klar ist, dass ihnen das 2:2 zum Weiterkommen reicht, stellen beide Seiten ihre Bemühungen weitgehend ein. Das Pfeifen und Buhen der Menge begleitet das finale Ballgeschiebe. Und man mag sich freuen, dass jetzt die K.o.-Runde kommt, wo es einen solchen allzu einvernehmlichen Ausklang nicht mehr gibt.
Die Portugiesen, nur als Gruppendritter weiter, müssen nun schon am Sonntag gegen Belgien spielen – ein undankbarer Gegner mit dazu kurzer Regenerationszeit und erneut hohen Temperaturen in Sevilla. Frankreich dagegen darf sich mit der Schweiz über eine vermeintlich machbare Aufgabe freuen.
„Unsere Bilanz der Vorrunde ist positiv“, findet nach dem Spiel Verteidiger Jules Koundé. „Wir sind noch dabei, Automatismen zu finden, es gibt noch Dinge, die wir verbessern können. Aber wir haben eine gute Basis.“ Nach nur einem Sieg und zwei Remis in der Vorrunde sucht sich der hochgelobte Weltmeister noch selbst. Portugal weiß dagegen einmal mehr, dass es sich, wenn sonst nichts geht, auf Ronaldo verlassen kann. Und auf das, was Pepe vor der Partie Solidarität und Kampfgeist nannte. Gegen Belgien sicher nicht schädlich.
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