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Frankfurt in der Europa League„Bis zum letzten Atemzug“

Eintracht Frankfurt will an die Saison 2021/22 anknüpfen. Nach dem 1:1 im Viertelfinalhinspiel bei Tottenham stehen die Chancen gar nicht so schlecht.

Einschwören auf Europa: Frankfurts Spieler vor dem Hinspiel gegen Tottenham in London Foto: Action Plus/imago

Frankfurt am Main taz | Als vor knapp vier Jahren das Proficamp von Eintracht Frankfurt mit allerlei Brimborium und viel Prominenz eingeweiht wurde, hat Axel Hellmann bereits eine flammende Rede gehalten. Der gewichtige Klubchef platzte fast vor Stolz, dass als Postadresse „Im Herzen von Europa“ hinterlegt werden konnte. Damit war der internationale Anspruch im Grunde für die Ewigkeit formuliert. Seitdem hat sich kein Traditionsverein so prächtig entwickelt wie die Eintracht.

In den mit Schwarz-Weiß-Bildern der Klub-Ikonen Bernd Hölzenbein und Jürgen Grabowski geschmückten Katakomben der Arena hat Vorstand Hellmann am Wochenende wieder emotional referiert, um ganz Frankfurt auf die Perspektive einzustimmen, die mit dem Viertelfinalrückspiel der Eintracht in der Europa League gegen Tottenham Hotspur (Donnerstag 21 Uhr/RTL) verknüpft ist. „Ich weiß, was es den Menschen, was es der Stadt und was es dem Klub bedeutet, in das Halbfinale einzuziehen und dann alle Möglichkeiten zu haben, den Blick nach Bilbao zu richten.“ Das ins Baskenland vergebene Europa-League-Finale am 21. Mai ist das Ziel: „Man spielt nicht immer mit der Chance auf einen Titel, das muss jeder begreifen.“

Nur drei Jahre nach der magischen Nacht von Sevilla sieht der 53-Jährige die Eintracht wieder an einer historischen Weggabelung. Frankfurts Sprachrohr ist der tiefen Überzeugung, „dass wir Tottenham schlagen können“. Denn: „Immer wenn englische Klubs von der Insel gehen, bringen sie nicht so die Qualität auf dem Platz.“ Beim Hinspiel (1:1) hinterließ der in der Premier League ins Niemandsland abgedriftete Gegner allerdings einen starken Eindruck. Hellmann: „Tottenhams Kader ist 800 Millionen Euro wert, das ist doch wundervoll. Das ist genau das, wo sich jeder ins Schaufenster stellen kann.“

Gilt wohl vor allem für Torjäger Hugo Ekitiké, der sich in Topform befindet. Auf den 22-jährigen Franzosen sollen vor allem Vereine aus England ein Auge geworfen haben. Es könnte der nächste Megadeal für den hessischen Bundesligisten werden. Die internationalen Festspiele dienen dem Klub als entscheidender Wachstumstreiber, um dem grauen Mittelmaß aus der Ära unter Frontmann Heribert Bruchhagen zu entfliehen, der gerne von der „zementierten Tabelle“ fabulierte.

„Über die Schmerzgrenze“

Die Eintracht hat seitdem das Gegenbeispiel geliefert: DFB-Pokalsieg 2018 unter Niko Kovač, Europa-League-Triumph 2022 unter Oliver Glasner und nun unter Dino Toppmöller die Möglichkeit, sich in den Annalen zu verewigen. „Jetzt ist Crunchtime, jetzt musst du über diese Schmerzgrenze gehen.“

Der aktuelle Coach erklärte allerdings, er wolle eher „ohne Emotionen an die Sache rangehen“, weil es neben viel Herz auch einen kühlen Kopf braucht. Aber auch der 44-Jährige will mit Anpfiff „die Jungs so anzünden, dass der Funke überspringt“.

Ohne Wechselwirkung von Rasen und Rängen kann die Eintracht in Europa nicht die Grenzen verschieben. Die Mannschaft müsse „bis zur Selbstaufgabe“ fighten, verlangte Hellmann. „Mister Eintracht“ kann jedem nur raten, sich die Bilder aus 2022 aus dem Eintracht-Streifen „In diesem Jahr“ noch mal in Erinnerung zu rufen und erwähnte als Beispiel des damals bereits schwer angeschlagenen Kapitän Sebastian Rode, der seine Gesundheit geopfert habe, um die Trophäe zu gewinnen. „Wir haben viele junge Spieler: Bis zum letzten Atemzug sein Leben zu lassen für so ein Spiel, ist denen noch nicht so bewusst.“ Martialischer hätte es wohl kein Ultra formulieren können.

Dass der Jurist Hellmann dafür nach dem Pflichtsieg gegen den 1. FC Heidenheim (3:0) in die Mixed Zone kam, wo gewöhnlich aus der Führungsriege ansonsten nur Sportvorstand Markus Krösche redet, verdeutlichte den besonderen Stellenwert dieses Europapokalspiels. Wobei im Frankfurter Stadtwald immer eine elektrisierende Atmosphäre herrscht; egal, ob die Gegner Rigas FC, Viktoria Pilsen oder wie jetzt Tottenham Hotspur heißen. Im Halbfinale könnte es dann übrigens gegen F. K. Bodø/Glimt aus Norwegen gehen, die das Hinspiel gegen Lazio Rom mit 2:0 gewonnen haben. Ein Kontrahent fast vom Polarkreis zu Gast im Herzen von Europa – das hätte was.

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