Fragwürdige Stadtentwicklung: Kuhhandel auf Schienen

Hat sich der Hamburger Senat übervorteilen lassen, als er das Altonaer Bahngelände erwarb?

Gehört jetzt wem? Der Stadt Hamburg oder der Bahn: Altonaer Bahngelände Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Stadt muss das Altonaer Bahngelände gar nicht kaufen, um darauf einen neuen Stadtteil bauen zu können – denn es gehört ihr möglicherweise längst. Diese These hat Robert Jarowoy von der Altonaer Linksfraktion ins Spiel gebracht. Er beruft sich dabei auf Dokumente aus dem Staatsarchiv und analoge Fälle an anderen Orten.

Über die Verlegung des Altonaer Fernbahnhofs haben sich der Senat und die Deutsche Bahn grundsätzlich geeinigt. Dadurch werden Flächen frei, welche die Stadt der Bahn für knapp 39 Millionen Euro abkaufen will. Dadurch könnten 1.900 Wohnungen gebaut werden – zusätzlich zu den bereits jetzt im Rahmen des Projekts „Mitte Altona“ geplanten 1.700 Wohnungen.

Die Linksfraktion in der Bezirksversammlung kritisiert nicht nur, dass durch die Verlegung der Bahnhof aus der Mitte des Stadtteils gerissen werde und viele Fahrgäste Umwege in Kauf nehmen müssten. Sie argumentiert auch, dass das Gelände der Bahn im 19. Jahrhundert für den Personen- und Güterverkehr kostenlos zur Verfügung gestellt worden sei. Wenn dort aber keine Züge mehr rollten, falle es möglicherweise automatisch an die Stadt zurück. „Dass Hamburg nun eigenes Gelände zurückkauft“, sagt Jarowoy, „ist eine Schweinerei.“

Um zu seiner Sicht der Dinge zu gelangen, muss er sich allerdings mit Analogieschlüssen behelfen: In den Verträgen über den Straßenbahnbetrieb vereinbarte die damals selbstständige Stadt Altona Ende des 19. Jahrhunderts, das Betriebsgelände solle bei einem Auslaufen oder Entzug der Konzession an die Stadt zurückfallen. In einem solchen Fall ginge die Bahnanlage „in die unbeschränkte Verfügung und das freie Eigentum der Stadt Altona über“, heißt es da.

Als der damalige Bürgermeister Henning Voscherau Mitte der 1990er-Jahre die Hafencity ausbrütete, las er sich auch die 100 Jahre alten Verträge zwischen Stadt und Bahn zur Überlassung der Grundstücke für den inzwischen aufgegebenen Hannoverschen Bahnhofs durch.

Eine Rückübertragung habe die Liegenschaftsverwaltung für den Fall vereinbart, dass kein Bahnbetrieb mehr stattfinde.

Daraus abzuleitende Ansprüche der Stadt seien strittig gewesen: Die Nazis hätten Hamburg zwischenzeitlich als Stadtstaat aufgelöst, seine Anrechte seien implodiert. Schuldner und Gläubiger - die Stadt und die Bahn als Teil des Staates - seien plötzlich eins gewesen. Zudem handelte es sich damals um Verträge der Stadt Hamburg - nicht der seinerzeit preußischen Stadt Altona.

Ähnliche Stellen für den Altonaer Bahnverkehr hat Jarowoy nicht gefunden. „Die sind einfach nicht auf den Gedanken gekommen“, vermutet er, „dass die Eisenbahn jemals wieder privatisiert würde und mit den Grundstücken spekulieren würde.“ Verweisen kann er auf einen ähnlich gelagerten Fall: den Hannoverschen Bahnhof auf dem Großen Grasbrook (siehe Kasten).

Daniel Stricker, Sprecher der für die Liegenschaften zuständigen Finanzbehörde, hält Jarowoys These für abwegig. Der Senat habe mit der Bahn die Eckpunkte eines zu schließenden Kaufvertrages vereinbart. Und darin sei „von nichts anderem als einem Verkauf die Rede“, sagt er. „Wir schenken der Bahn keine 38 Millionen Euro.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.