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Fränkische EsskulturHier geht es immer um die Woorschd

Ob dick oder dünn, ob grob gewolft oder fein gekuttert: Gebratene Wurst ist in Franken ein Grundnahrungsmittel. Doch woran erkennt man eine gute?

Eine wirklich gute kommt ohne Senf aus: Fränkische Bratwürste (hier mit Senf und Sauerkraut) Foto: Helmut Meyer zur Capellen/imago

D ie Spezialitäten der hiesigen Gegend sind der gebackene Karpfen und Schäuferla, Schweineschulter aus dem Ofen. Aber noch wichtiger ist zwischen Nürnberg und Würzburg die Bratwurst oder wie man hier sagt: die Brad­woorschd. Selbst an einem windigen Würstlstand auf irgendeinem Supermarktparkplatz findet man sie von einer Qualität, die anderswo ihresgleichen sucht. In Franken freilich ist die Güteskala nach oben noch weit offen.

Und genauso verhält es sich mit der Diversität. Ob kurz oder lang, ob dick oder dünn, ob grob gewolft oder fein gekuttert, die Vielfalt ist enorm. Grundlage ist selbstverständlich Schweinefleisch, aber auch Rind, Schaf oder Wild können mit ins Brät wandern. Nur was die Würzung angeht, ist man in Franken konservativ: Ohne Majoran geht hier kaum eine Fülle in den Wurstdarm.

Zur Kultur gehört auch, dass der Bratwurst hier unablässig Denkmäler gesetzt werden. Nicht weit von hier in Geiselwind steht auf dem Marktplatz die Statue eines schwedischen Generals aus dem Dreißigjährigen Krieg mit einer Wurst in der Hand. Es geht die Sage, weil ihm dieselbe von einer schwarzen Katze weggeschnappt worden sei, habe er den Ort verschont.

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In die andere Richtung, in Iphofen, kann man an einer Tankstelle 24 Stunden Bratwürste eines der angesehensten Metzger der Region aus einem Automaten neben den Benzinsäulen ziehen. Und klar: Wer etwas auf die Bratwurst hält, hat auch ein Reinheitsgebot parat. Ansbach etwa ist stolz, auf eines der ältesten zurückzublicken. 1481, noch vor dem Bierreinheitsgebot, legte der Rat der Stadt die Menge der Gewürze fest, die dem Wurstbrät beigemengt werden dürfen.

Kaum verwunderlich also, dass in der Küche meines Gasthauses eine stattliche Wurstspritze steht. Aus einem Zylinder mit 10 Kilo Fassungsvermögen presst man das Brät mittels einer schweren Kurbel durch eine Tülle in den Schafsaitling. Ich mache meine Bratwürste aus Wildschwein, statt Majoran verwende ich Fenchel und Chili als Würze, nach Art italienischer Salsicce. Das Kurbeln sollte man zu einer meditativen Angelegenheit werden lassen, habe ich gelernt. Dann werden die Würste am gleichmäßigsten und laufen auch keine Gefahr, in der Pfanne zu platzen.

Und woran erkennt man nun eine gute Wurst? Meiner Ansicht nach am mäßigen Salzgehalt, die meisten Bratwürste sind aus Haltbarkeitsgründen viel zu salzig. Untrüglich ist aber der Senf-Beweis. Bedeutet, dass die Wurst gegen die eigentliche Absicht kein einziges Mal in den Klecks Senf auf dem Teller gedippt worden ist. Passiert mir das, habe ich eben eine wirklich gute Bradwoorschd vertilgt.

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Jörn Kabisch
Autor
Wirt & Autor für taz und FuturZwei