Fotograf über Bloßstellungsgesetz: „Das kann zum Knüppel werden“
Der Fotograf Günter Zint sieht in dem geplanten Gesetz eine Gefahr für die Pressefreiheit. Was eine „Bloßstellung“ sei, bleibe unklar.
taz: Herr Zint, wenn die Pläne von Bundesjustizminister Heiko Maas umgesetzt werden, ist es künftig strafbar, Bilder mit bloßstellendem Charakter von Personen zu veröffentlichen. Was halten Sie davon?
Günter Zint: Nichts. Darin sehe ich eine große Gefahr für die Pressefreiheit. Das kann zum Knüppel werden, um eine unliebsame Berichterstattung zu vermeiden. Wer legt fest, was eine Bloßstellung ist? Wenn man ein Bild von einem alten Nazi zeigt – ist das nicht auch eine Bloßstellung? Für Berufsfotografen wird das ein Problem.
Der Vorstoß wird damit begründet, dass die Persönlichkeitsrechte von Menschen gestärkt werden sollen, die betrunken oder gegen ihren Willen nackt fotografiert werden. Gelingt das?
Das glaube ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, das für jede einzelne Situation dieses Gesetz speziell ausgerichtet sein kann. Ich habe so viele Schnapsleichen im Archiv, da kann ich Bücher mit füllen. Aber das sind alles Leute, die sich auf St. Pauli selbst ins Licht gerückt haben durch ihr Benehmen.
Haben Sie von allen diesen Leuten eine Einverständniserklärung?
Nein, und die brauche ich nach heutigem Recht auch nicht. Wenn sich ein Betrunkener in der Öffentlichkeit bewegt und etwa ein Verkehrshindernis darstellt, ist er eine Person der Zeitgeschichte und hat sein Recht am eigenen Bild verwirkt. Auch wenn mehr als drei Personen in der Öffentlichkeit auftreten, haben sie kein Recht am eigenen Bild mehr.
Muss bei Nacktfotos nicht etwas anderes gelten?
In den 60er Jahren habe ich massenhaft fotografiert auf Nacktfestivals. Wenn die heute wieder erscheinen würden, wäre ich mit einem Bein im Gefängnis. Man muss das Maß der Dinge kennen. Missbrauch mit Kindern ist furchtbar. Foren mit kinderpornografischen Inhalten, das ist ein No-go. Das ist bereits verboten. Aber gegen einfache Nacktbilder, auch wenn es Kinder sind, ist nichts einzuwenden. Das gilt auch für Bilder der alten Meister der Kunstgeschichte. Wo ist der Kunstvorbehalt, wo fängt er an, wo hört er auf? Das kann man nicht definieren. Es gibt wohl viele Grenzfälle, in denen es auf die Gutartigkeit oder Bösartigkeit des Richters ankommt.
73, ist seit 50 Jahren im Beruf. Für den Spiegel fotografierte er einst die APO, für die taz die Anti-Atomkraft- und andere Bewegungen.
Sind Sie wegen Ihrer Bilder schon einmal verklagt worden?
Ich hatte in meiner mehr als 50-jährigen Berufslaufbahn vier oder fünf Prozesse, aber immer gegen die Staatsmacht, nie gegen Privatpersonen. Geklagt haben Polizeibeamte, die ich bei Einsätzen fotografiert hatte. Man wollte mich mundtot machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“