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Forstwissenschaftlerin über Landnutzung„Wir benötigen eine Landwende“

Monokulturen werden den Klimawandel nicht überstehen, so Forstwissenschaftlerin Anne Arnold. Die Transformation gelinge nur mit anderen Subventionen.

Setzt Deutschland weiter auf Monokulturen, drohen bald überall Bilder wie hier in einem Forst im Harz, sagt Anne Arnold Foto: Thomas Trutschel/imago
Birger Stepputtis

Interview von

Birger Stepputtis

taz: Frau Arnold, warum interessieren Sie sich als Forstwissenschaftlerin auch für Landwirtschaft?

Anne Arnold: Weil wir uns in einem Trilemma zwischen Klimaschutz, Ernährungssicherheit und Biodiversität befinden. Mich als Försterin und Naturliebhaberin interessiert deshalb die Frage: Wie geht Nutzung und Schutz gemeinsam?

taz: Und, wie geht es?

Arnold: In den letzten 20 Jahren hat Deutschland durch eine unangepasste Landnutzung circa 760 Millionen Tonnen Wasser pro Jahr verloren. Und Prognosen lassen befürchten, dass im Jahr 2030 die Nachfrage von Wasser das globale Angebot um 40 Prozent übersteigen wird. Die Studienlage zeigt, dass um die 40 Prozent des Temperaturanstiegs auf Änderungen durch die Landnutzung zurückzuführen sind. Einfach nur eine andere Land- oder Waldwirtschaft reicht nicht. Wir benötigen eine Landnutzungswende, eine Landwende.

Im Interview: Anne Arnold

ist Forst- und Biowissenschaftlerin. Sie leitet das Nabu-Wald­institut im Harz und eine Forschungsgruppe an der Uni Göttingen.

taz: Wie soll diese Landwende aussehen?

Arnold: Die Frage des Wassers ist hier zentral. Die Ökosysteme sind verbunden und stehen im Austausch miteinander und mit der Atmosphäre. Zum Beispiel: Auf einer Fläche wird Wasser gespart, nebenan wird eine industriell geprägte Landwirtschaft künstlich bewässert. Davon verdunstet viel Wasser ungenutzt. Hier wird Grundwasser verschwendet, auf das beide Systeme angewiesen sind. Entsprechend dem Landwendekonzept braucht es hier ein ganzheitliches Wassermanagement, das verschiedene Nutzungs- und Schutzziele gemeinsam denkt.

taz: Was braucht es noch?

Arnold: Wir müssen weg von der industriellen Forst- und Landwirtschaft, hin zu ökologisch nachhaltigen Systemen. Wir müssen weg von Monokulturen, hin zu diversen Systemen. Divers bedeutet, verschiedene Arten zusammen anzubauen, aber auch, verschiedene Sorten einer Art zu verbinden. Nur so können wir die enormen natürlichen Potenziale zur Anpassung an den Klimawandel nutzen.

taz: Könnte eine Landwirtschaft nach der Landwende die Menschen dann weiterhin ernähren und eine Forstwirtschaft genügend Holz liefern, wenn der Ertrag auf der Fläche doch sinken dürfte?

Arnold: Das muss nicht so sein. Auch eine gut durchdachte ökologische Bewirtschaftung kann sehr ertragreich sein. Vor allem entscheidend ist aber, dass im Klimawandel die Versorgung durch die vielfältige Nutzung sicherer und weniger störanfällig wird. Wir müssen uns aber auch unseren Ernährungsstil anschauen und ein gesundes Maß des Konsums tierischer Produkte finden.

taz: Unabhängig davon: In der Breite ist das doch gar nicht wirtschaftlich umsetzbar. Die Land- und Forstwirte müssen als Unternehmer schließlich Gewinne erzielen.

Arnold: Wir haben keine Wahl. Schauen Sie sich die Fichtenmonokulturen hier im Harz an, die völlig unangepasst sind und die infolgedessen durch Borkenkäfer und Hitze sterben. In der Landwirtschaft sehen wir Monokulturen von Mais, die den Klimawandel nicht überstehen werden. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann sind unsere Böden irgendwann ausgetrocknet und nährstoffarm und die Pflanzenproduktion, sei es Holz oder Lebensmittel, ist am Ende.

taz: Das heißt, Wirtschaftlichkeit als Faktor können wir uns nicht mehr leisten?

Arnold: Die Wirtschaftlichkeit muss neu gedacht werden. Wir sollten von Investitionen für einen Betrieb sprechen und nicht mehr von Kosten. Die Unternehmer müssen dabei natürlich weiter von ihrer Arbeit leben können. Hier muss der Staat unterstützen, vor allem im Transformationsprozess.

taz: Der Staat muss hier subventionieren?

Arnold: Definitiv. Heute hängt die Höhe der Agrarsubventionen allerdings von der Größe der Fläche ab. Das muss sich ändern. Subventionen sollten immer an ökologische Verbesserungen geknüpft sein, etwa in der Biodiversität und der Speicherung von Kohlenstoff und Wasser. Wir müssen diese sogenannten Ökosystemleistungen honorieren.

taz: Nun gehen die Landwirte ja bei den kleinsten Veränderungen oft schon auf die Barrikaden. Würden sie solche massiven Umwälzungen mitmachen?

Arnold: Ich komme selbst vom Land und weiß, wie das Denken dort ist. Die Menschen machen eine Wahnsinnsarbeit und lieben ihre Flächen. Wir müssen den Landwirten auf Augenhöhe begegnen und Anreize schaffen, damit sie ihr Land anders bewirtschaften. Dann sind sehr viele bereit, sich auf ökologisch tragbare und ökonomisch rentable Konzepte und Ideen einzulassen.

taz: Was fordern Sie von der Politik?

Arnold: Die Politik muss endlich Schritte hin zur Landwende unternehmen. Die Zeit drängt! Das heißt auch, kaputte Ökosysteme zu renaturieren und Naturschutzgebiete auszubauen. Wir wissen alle um die Krisen. Es darf nicht weiter an der Umsetzung von Lösungen scheitern.

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11 Kommentare

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  • Wir benötigen Menschen die im Wald arbeiten. Die könnten dort im Frühjahr kleine Fichten hier und dort einschlagen. Nicht viele aber so ein zwei auf einen Hektar. Dann würden die Borkenkäfer sich in diese Fichten einnisten. Nun müssten diese Fichten entweder geschält oder aus dem Wald geholt werden, am besten bevor die Käferlarven sich zu neuen Käfern entwickelt haben. - Dauert manchmal nur 8 Wochen, je nach Hitze auch mal kürzer. Ist also mit Logistik und Weitsicht verbunden.



    Keine Hexerrei, nur Arbeit braucht es, damit ein Fichtenwald groß wird. War schon immer so. Nur heute denken Menschen, das ein Wald von ganz alleine Holz abwirft. Mit der Checker-Tobi-Vorbildung muss man auch gar keine Bäume mehr Pflanzen. Auch keine Zäune mehr bauen, damit die Jungpflanzen nicht verbissen werden.



    Ich bin etwas entrüstet von der Ungenauigkeit der Texte und dann aber so einen starken appelativen Charakter - da ist ja schon inkludiert dass es zu nichts führt.



    Ist schade das hier nicht geschrieben wird, wie wir mit den Wäldern zusammen CO2 der Luft entnehmen, wie wir dann das Holz verbauen und die Reste eventuell zu Holzkohle verarbeiten, mit dem Wissen das diese 500 Jahre im Boden verweilt.

  • "Auch eine gut durchdachte ökologische Bewirtschaftung kann sehr ertragreich sein."



    Sie MUSS es sein. Nicht von heute auf morgen, die Böden brauchen etwas Zeit und Arbeit, sie wieder zu regenerieren. Aber dann muss das laufen. Irgendwo müssen die Nahrungsmittel ja her kommen und unsere Probleme nur in andere Länder verschieben ist weder ok, noch lange machbar. Alle haben Probleme.



    Es ist noch nichtmal besonders schwer. Funktionierende Systeme zur regenerativen Landwirschaft gibt es seit Jahrzehnten, es gab nur nie Subventionen dafür...

  • Die Entscheidung fällt an der Theke



    So lange sich die überwiegende Mehrheit der Kunden eher am Preis für Lebensmittel orientieren und teure Bioware liegen lassen, so lange wird das nichts mit "vorwiegend" Öko-Landwirtschaft.



    Die Bauern pauschal beschimpfen macht wenig Sinn, sie produzieren was man ihnen auch abnimmt.

  • Klingt gut. Aber wie muss ich mir das konkret vorstellen?

  • Wie währe es wenn man mit der "Wende" in Forst und Landwirtschaft bei den Großen Grundbesitzern Staat (+ alle Bundesländer, Städte, Kreise, Gemeinden), Kirchen und Naturschutz NGO ( alleine der NABU besitzt weit über 20000 ha Fläche, ist damit auch einer der größten Subventionsempfänger in D ) anfangen ?? Keine dieser Organisationen muss, im Gegenteil zu Landwirten, von ihren Flächen leben.

  • Da viele Waldbauern (und leider auch Forstwirte) der Meinung sind, sie könnten mit Hilfe neuer (exotischer) Baumarten aus trockeneren Gefilden einfach weitermachen, wird es nichts mit der Waldwende. Roteiche oder Douglasie, statt ökologisches Gefüge führt ebenso in die Katastrophe wie das Ignorieren der Notwendigkeit von vernetzten Ökosystemen (der Landwirtschaftsminister blockiert das entsprechende EU - Gesetzt; die taz berichtete). Wie Frau Arnold schon richtig sagte: "Wir haben keine Wahl".

  • Ist es wirtschaftlich wenn der Ertrag in zwanzig Jahren auf Null geht? Dann lebt der Bauer nur noch von der Subvention.

  • Ich komme auch „vom Land“, unterstütze den Ansatz von Frau Arnold, sehe aber keine realistische Chance die Masse der (Wald-) Bauern zur Zeit ins ökologische Boot zu bekommen. Ich erlebe da eher eine verstärkte Rückbesinnung auf Spezialisierung, Monokulturen und agrarindustrielle Ansätze. Wenn sich da wirklich was ändern soll, reicht es nicht die Landwirte zu staatlich alimentierten Umweltpflegern zu machen, müssen sich nicht nur Förderkriterien für die Forst- und Landwirtschaft ändern, sondern ganz massiv auch die Nachfrageprämissen der Verbraucher. Wenn die nicht in der Breite bereit sind, mehr vom eigenen Einkommen für weniger, aber dafür hochwertigeren, regionaleren und saisonalen Konsum auszugeben, wird das nichts werden. Da scheint mir das echte Bewusstsein für die eigene Verantwortung aber noch eher unterentwickelt zu sein.

    • @vieldenker:

      Aber wie man die Verbraucher da in der Breite umstimmen könnte, sehe ich nicht. Es braucht wohl entsprechende gesetzliche Vorgaben. Und den Land- und Forstwirten, deren Flächen aus Klimaschutzgründen nicht mehr bebaut bzw. geschlagen werden sollten - insbesondere Wälder und Moore - muss der Staat am besten die Flächen zu einem attraktiven Preis ganz abkaufen und unter Naturschutz stellen, einschließlich Wiedervernässung bzw. Einschlagverbot. Da der Staat über seine Zentralbank Schöpfer der Währung ist, kann er sich das auch jederzeit leisten (siehe: www.oekologiepolit...geld-ist-es-nicht/ ). Wenigstens sollte kein Holz mehr verbrannt oder zum Bauen von Häusern verwendet werden, da gibt es bessere Alternativen (Wärmepumpen; Lehm, Stroh, Naturstein, grüner Stahl usw.). Der Wald wird sich nur erholen, wenn man ihn ganz in Ruhe lässt, die standortheimischen Baumarten - v.a. Buche und Eiche - wachsen dann von selbst nach und bilden dann langsam aber sicher wieder einen gesunden Urwald, der die Luft um bis zu 15 Grad herunterkühlt. Jedenfalls wenn man Leuten wie Peter Wohlleben glauben mag. Und ich finde seine Begründungen in sich logisch.

      • @Earth & Fire :

        Sind Sie auch noch so ein glühender Verfechter von Klimaschutzmaßnahmen wenn man IHRE Eigentumsrechte massiv beschneiden würde? Das St. Florian Prinzip ist doch der einfachste Naturschutz ..

        • @Günter Witte:

          Na klar, ich würde ja eine angemessene Entschädigung erhalten.