Forschung zur Geschichte der Hanse: Die Privilegien der Händler
Die Lübecker Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums ergründet, wie die Städte damals einen Konsens herstellten.

Vielmehr ging es auf den Versammlungen der Hansestädte – und die lagen nicht nur an der Ostsee, sondern auch Städte wie Köln, Soest, Frankfurt/Oder zählten dazu – um einen jeweils neu zu erringenden Konsens. „Denn er ist im Mittelalter und also auch auf den Hansetagen grundsätzlich da und muss nur noch gefunden werden, so das damalige Denken“, sagt Angela Huang.
Sie ist Leiterin der 1993 gegründeten Lübecker Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums, die 1997 an das städtische Archiv und 2015 an das neue Europäische Hansemuseum angegliedert wurde.
Gründer und langjähriger Leiter der Forschungsstelle war der 2021 verstorbene Historiker und Hanseforscher Rolf Hammel-Kiesow, der auch als „geistiger Vater“ des Hansemuseums gilt und es maßgeblich mitgestaltete. Als er 2017 in Rente ging, folgte ihm Angela Huang, auch sie zugleich Vorsitzende des Hansischen Geschichtsvereins und gut mit der Lübecker Stadtgesellschaft vernetzt.
Profitinteressen statt Solidarität
Gemeinsam mit ihren beiden Mitarbeiterinnen erforscht sie derzeit die Versammlungen der Hansestädte, die zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert stattfinden „und die ich für ein einzigartiges Phänomen halte: dass Vertreter von Städten eines so großen Raums zusammenkommen und langfristig freiwillig Beschlüsse fassen und Wirtschaftspolitik betreiben. Hier setzt deswegen auch der EU-Vergleich gern an“, sagt Huang.
„Unser aktuelles Projekt widmet sich den Akten der niederdeutschen Städtetage. Mit Hilfe des Transkribus-Programms zur digitalen Handschriftenerkennung machen wir die Dokumente, auf denen Verlauf und Ergebnisse der Versammlungen festgehalten wurden“, allmählich breit zugänglich. Nur so könne man verstehen, wie die Mehrheitsbildung dort funktioniert habe.
Warum sich die Kaufleute des Mittelalters überhaupt zur Hanse zusammenschlossen? „Es ging nicht um Solidarität, sondern um gemeinsame Interessen“, sagt Huang. „Darum, die bestmöglichen Handelsbedingungen zu schaffen und gemeinsame Privilegien langfristig zu wahren.“ Das betraf Absprachen der Hansestädte untereinander – etwa die Sicherheit auf Handelswegen. Wenn Schiffe im Konvoi fuhren, konnte man sich die Kosten für Schutzmaßnahmen teilen. Das Strandrecht wiederum legte fest, dass ein Kaufmann bei Schiffbruch seine aufgefundenen Waren zurückbekam.
Gemeinsam gegen Fürsten und Nicht-Hansestädte
Auch nach außen bewährte es sich, gemeinsam aufzutreten, wenn man sich gegenüber Fürsten und Nicht-Hansestädten durchzusetzen hatte. Wenn man bei den Stadtoberen intervenierte, wenn etwa die Beamten von Brügge – wie London, Bergen, Nowgorod nicht Hansestadt, aber gemeinsame Niederlassung bzw. -Kontor – höhere Hafengebühren verlangten, als vereinbart war.
Interessant ist auch eine Art Protektionismuspolitik, wenn man mit fast allen Mitteln verhinderte, dass auch Konkurrenten im Ostseeraum Handel trieben. Holländische, englische, auch süddeutsche Kaufleute wollte man auf diesem „eigenen“ Markt nicht haben.
„Bei all dem geht es letztlich darum, die Vernetzung der Hanse zu verstehen“, sagt Angela Huang. Konkret erforscht hat sie in ihrer Promotion die Produktion und Distribution von Textilien des Hanseraums als spätmittelalterliche Fernhandelsware. Kein Zufall auch, dass die nächste, von Huang mitgestaltete Ausstellung des Hansemuseums „Guter Stoff. Textile Welten von der Hansezeit bis heute“ heißt. Auch eine Tagung wird es geben, neben Vorträgen und Workshops wichtige Säule der Vermittlungsarbeit der Forschungsstelle. Zudem weilen regelmäßig internationale GastwissenschaftlerInnen dort, um die Fachbibliothek zu nutzen, die – nach Voranmeldung – allen Interessierten offensteht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!