Forschung an der Kölner Uniklinik: Im Auftrag der Pharmaindustrie
Die Kölner Uniklinik forscht im Auftrag der Bayer AG. Im Vertrag ist die Entwicklung und Testung von neuen Medikamenten vereinbart. Viel mehr verrät die Uniklinik nicht.
Für Wissenschaftspolitik zeichnet in der Regierung Nordrhein-Westfalens Andreas Pinkwart verantwortlich. Der FDP-Politiker, der früher als Professor an der Uni Siegen Betriebswirtschaft lehrte, nennt sich seit dreieinhalb Jahren "Innovationsminister". Noch ziemlich neu ist das seit 2008 in NRW gelten- de Hochschulmedizingesetz. Es bezweckt, den Unikliniken mehr wirtschaftliche Spielräume zu eröffnen und die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen anzuregen und zu erleichtern.
Deutschlands Universitätskliniken konkurrieren eifrig um Industriegelder. Wie viele Drittmittel sie offiziell einwerben, steht in der "Landkarte Hochschulmedizin". Die jüngste Datensammlung, erstellt vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), nennt Zahlen für 2005. In jenem Jahr hat die Privatwirtschaft - meist Pharma- und Biotechfirmen - rund 250 Millionen Euro beigesteuert, durchschnittlich 7,13 Millionen Euro pro Uniklinikum. Mit Abstand vorn liegt die Berliner Charité: 2005 soll sie 36,01 Millionen Euro an Industriegeldern ausgegeben haben. Es folgen die Kliniken der LMU München (18,54 Millionen) und Frankurt am Main (18,21 Millionen).
Beispielhaft bestätigt sieht Minister Pinkwart seine Politik durch ein "Preferred Partnership Agreement", das die Universität Köln und der Pharmakonzern Bayer vereinbart haben. "Hinsichtlich der Entwicklung und klinischen Testung neuer Substanzen" werde der Bayer-Teilkonzern HealthCare künftig "jeweils prüfen, ob sich Studien in enger Zusammenarbeit mit der Uniklinik Köln realisieren lassen", gaben die sich gegenseitig bevorzugenden Partner im März 2008 bekannt.
Die Kooperation, die mittelfristig zu neuen Präparaten gegen Krebs, neurologische Leiden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen soll, wolle sich Bayer pro Jahr einen "soliden sechsstelligen Betrag" kosten lassen.
Außerdem fördert der Konzern ein Partnerschaftsprojekt, das laut Bayer-Vorstandsmitglied Wolfgang Plischke "einzigartig in ganz Deutschland" ist: das "Graduiertenkolleg Pharmakologie und Therapieforschung", in dem junge Wissenschaftler an der Kölner Uni promovieren können. In diesem Jahr sollen die ersten Doktoranden starten - und Forschungsgebiete vorantreiben, die Bayer sehr interessieren, nach Meinung Plischkes aber "hierzulande unterrepräsentiert" sind: "Toxikologie, Tiermodell-Entwicklung und Identifikation von Biomarkern".
Substanzielle Früchte wird die "bevorzugte Partnerschaft" wohl frühestens in einigen Jahren tragen können, aber Kritiker haben sich bereits zu Wort gemeldet. Die pharmakologische Forschung an der Kölner Uniklinik könnte nun "nach rein wirtschaftlichen Kriterien" ausgerichtet werden, befürchten zehn Verbände und studentische Interessenvertretungen, darunter der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, die Buko-Pharma-Kampagne, medico international und die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG).
Zwecks Klärung haben sie die Kölner Hochschulleitung mit einem offenen Brief aufgefordert, den Kooperationsvertrag mit der Bayer AG "vollständig offen zu legen" und einen Fragenkatalog zu beantworten.
Die Verbände unter Federführung der CBG wollen zum Beispiel erfahren, wer die Patente an den angestrebten Arzneientwicklungen erhalten wird und ob die Kölner Hochschule sich womöglich verpflichtet hat, Verwertungsrechte im Voraus an die Bayer AG abzutreten. Für potenzielle Studienteilnehmer bedeutsam ist die Frage, ob die Uniklinik auch "fehlgeschlagene Experimente" publik machen wird - oder ob unliebsame Ergebnisse nicht veröffentlicht werden.
Derartige Zugeständnisse wären keine Überraschung für die Buko-Pharma-Kampagne; sie verweist auf Beispiele aus den USA, die etwa der Physiker und Philosoph Sheldon Krimsky bereits 2003 in seinem Buch "Science in the Privat Interest" anschaulich beschrieben hat.
Die Fragen und Spekulationen zur Bayer-Connection stehen seit Mitte November unbeantwortet im öffentlichen Raum - und die Kölner Uni ist offenbar entschlossen, zu Details der Kooperation weiter zu schweigen.
Warum, erklärt Uni-Pressesprecher Patrick Honecker auf Nachfragen der taz so: Sein Arbeitgeber stehe im Wettbewerb der Hochschulen um Drittmittel. Würde der Wortlaut der Vereinbarung mit Bayer bekannt, könnten der Kölner Uni möglicherweise wirtschaftliche Nachteile bei künftigen Verhandlungen entstehen, weil ein veröffentlichter Vertrag möglichen anderen Partnern zeigen würde, "auf welche Art und Weise mit uns kooperierbar ist". Die Rechtsabteilung der Kölner Uni hält Vertragsinhalte laut Honecker für Betriebsgeheimnisse; folglich hätten Unbeteiligte auch nach dem in NRW geltenden Informationsfreiheitsgesetz (IFG) keinen Anspruch auf Offenlegung.
Das IFG schließe aber keineswegs kategorisch aus, dass Bürger in Verträge von Universitäten mit privaten Firmen schauen dürfen, sagt Bettina Gayk, Pressesprecherin der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW.
Ob die Kölner Hochschuljuristen ihr Agreement mit der Bayer AG zu Recht unter Verschluss halten, könnten die Datenschützer allerdings erst dann prüfen und beurteilen, wenn die Uni einen entsprechenden Informationsantrag interessierter Personen erhalten und ablehnen würde. Bisher ist Gayk kein derartiger Fall im Bundesgebiet bekannt geworden.
Gleichwohl liegen solche Pakte offensichtlich im Trend, zwei neue wurden den Wissenschaftsredaktionen im November 2008 mitgeteilt: Erst unterzeichneten das Hamburger Uniklinikum und die Wyeth Pharma GmbH einen Vertrag für gemeinsame, "frühe klinische Studien". Dann meldeten das öffentlich finanzierte Deutsche Krebsforschungszentrum und die Bayer Schering Pharma AG ihre neue "strategische Allianz".
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