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Forscher finden SicherheitslückeWLAN-Verschlüsselung mangelhaft

Belgische Sicherheitsforscher haben eine Sicherheitslücke im Verschlüsselungsprotokoll WPA2 entdeckt. Es gebe keinen Anlass für Hysterie, beschwichtigen Experten.

Es bringt nichts, sein WLAN-Passwort zu ändern, da das nicht vor der Attacke schützt Foto: imago/Science Photo Library

Löwen/Berlin dpa | Der Appell des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, wegen einer Sicherheitslücke im WLAN-Protokoll WPA2 keine Bankgeschäfte mehr über ein drahtloses Netzwerk zu tätigen, ist bei Experten auf Kritik gestoßen.

„KrackAttack ist eine ernstzunehmende Schwachstelle, sie ist aber nicht der sofortige Untergang unserer WLAN-Welt“, erklärte Security-Experte Rüdiger Trost von IT-Sicherheitsunternehmens F-Secure. Man dürfe nicht den Eindruck entstehen lassen, als ab sofort jedermann alle Verschlüsselungen aushebeln und Daten mitlesen könnte.

Auch der Branchenverband Bitkom relativierte die BSI-Warnmeldung: „Man kann das Internet (über WLAN) schon noch nutzen, auch für sensible Transaktionen“, sagte Marc Bachmann, IT-Sicherheitsexperte beim Bitkom. Man müsse allerdings darauf achten, dass die Verbindung dabei durch eine zusätzliche Verschlüsselungssicht geschützt sei. Es gebe keinen Anlass für eine „Hysterie“.

Sicherheitsforscher der Katholischen Universität Löwen hatten gravierende Sicherheitslücken in dem Verschlüsselungsprotokoll WPA2 entdeckt, mit dem WLAN-Hotspots abgesichert werden. Mit der „Krack“ getauften Attacke können demnach Angreifer die WPA2-Verschlüsselung aufbrechen, belauschen und manipulieren, berichtete der belgische Sicherheitsforscher Mathy Vanhoef. Das Computer Emergency Response Team (CERT) der USA warnte einem Bericht von „ArsTechnica“ zufolge bereits vor den Folgen der entdeckten Lücken.

Über die Konsequenzen aus der „Krack“-Attacke waren sich Experten am Montag nicht einig: Fachleute der Wifi Alliance verwiesen darauf, dass zusätzliche Verschlüsselungs-Schichten wie HTTPS (beispielsweise beim Online-Banking) oder virtuelle private Netzwerke (VPN) durch die Krack-Attacke nicht ausgehebelt werden. Daher seien auch Online-Banking oder die Kommunikation mit WhatsApp über WLAN weiterhin sicher.

BSI: Kein Banking, kein Shopping

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) dagegen warnte am Montagabend davor, bis zur Verfügbarkeit auf Online-Banking in einem mit WPA2 gesicherten WLAN zu verzichten. Auch vom Einkaufen im Netz via WLAN riet das BSI ab, obwohl quasi alle Online-Händler einen verschlüsselten Übertragungsweg anbieten, der nicht von dem WPA2-Standard des WLANs abhängt. Das kabelgebundene Surfen dagegen sei sicher.

Sicherheitsexperte Tim Berghoff von der Firma G-data betonte, die entdeckte Sicherheitslücke sei im Moment lediglich ein „Proof of Concept“, also eine Machbarkeitsstudie. „Die Schwachstelle wird derzeit nicht zu kriminellen Zwecken ausgenutzt.“ Er riet den Anwendern, eine „VPN-Software einzusetzen, die den gesamten Datenverkehr mit einer SSL-Verschlüsselung sichert und so vor fremden Zugriffen schützt“.

Auch der Sprecher des Chaos Computer Clubs, Linus Neumann, verwies auf Schutzmöglichkeiten durch eine zusätzliche Verschlüsselungsschicht: „In der Tat kann man bei korrekt verifizierten SSL- oder VPN-Verbindungen die Schwachstelle gelassen sehen. Allerdings wissen Laien nicht immer, was alles zu beachten ist, um eine SSL-Verbindung korrekt zu überprüfen. Vermutlich rät das BSI daher an dieser Stelle zu einer erhöhten Vorsichtsmaßnahme.“

Zuvor hatten bereits führende IT-Unternehmen die tatsächliche Gefahr der Lücke im Verschlüsselungsprotokoll relativiert. Microsoft verwies darauf, dass ein Angreifer sich in unmittelbarer Nähe des WLAN aufhalten müsse. Außerdem müsse er in der Lage sein, eine technisch aufwendige „Man-in-the-middle“-Attacke auszuführen. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass die Lücke in der Praxis bislang irgendwo ausgenutzt worden sei.

SIT: Banken verschlüsseln eh zweimal

Prof. Michael Waidner vom Fraunhofer-Institut SIT (Security in Information Technology) in Darmstadt sagte, die WLAN-Sicherheitslücke sei durchaus ernst zu nehmen. Allerdings könne damit kein massenhafte Attacke gestartet werden, da der Angreifer sich in der Nähe des WLANs aufhalten müsse. „Ich denke, dass man die Lücke auch relativ einfach schließen kann und bin optimistisch, dass die Hersteller auch schnell reagieren werden.“

Die Warnung des BSI nannte Waidner „völlig okay“, da man schon die Anwender darauf hinweisen sollte, dass sie ihr mit WPA2 geschütztes WLAN zunächst so behandeln müsse wie ein offenes WLAN im Café oder am Flughafen.

„Man sollte in einem öffentlichen WLAN gewisse Dinge nicht tun“, betonte Waidner. Der Forscher verwies aber auch darauf, dass quasi alle Banken beim Online-Banking eine zweite Verschlüsselungsschicht verwenden. Wenn das richtig aufgesetzt sei, könne man auch in einem öffentlichen WLAN Homebanking machen. Die Anwender sollten sich bewusst darüber sein, das derzeit im heimischen WLAN der Grundschutz, von dem man sonst ausgehe, nicht vorhanden sei.

WPA2 ist ein Verschlüsselungsverfahren zur Absicherung eines WLANs, das bislang als sicher galt. Ältere Standards wie WPA und WEP wurden schon vor Jahren als nicht mehr sicher ausgemustert. Die Forscher in Löwen entdeckten nach eigenen Angaben nun einen Fehler in dem vierstufigen Verfahren, mit dem bei WPA2 die Schlüssel von Sender und Empfänger in einem WLAN ausgetauscht werden. Im dritten Schritt kann der Schlüssel mehrmals gesendet werden. Diese Sicherheitslücke habe ermöglicht, die Verschlüsselung zu knacken.

Mit WPA2 soll zum einen dafür gesorgt werden, dass sich nur berechtigte Nutzer in ein WLAN einloggen können. Das Verschlüsselungsverfahren soll aber auch verhindern, dass die drahtlos übertragenen Daten von Unbefugten mitgeschnitten werden können. Außerdem verhindert die Verschlüsselung, dass Daten auf dem Übertragungsweg manipuliert werden. Bislang gibt es nach Auskunft des Branchenverbandes WiFi Alliance keine Anzeichen dafür, dass die von den Forschern entdeckten Sicherheitslücken in WPA2 bereits von Computerkriminellen ausgenutzt werden.

Erste Anbieter haben reagiert

Der belgische Sicherheitsforscher Vanhoef hatte erklärt, es bringe jetzt nichts, sein WLAN-Passwort zu ändern, da dies nicht vor der Attacke schütze. Vermutlich seien Geräte aller Hersteller von den Fehlern betroffen. Die Lücken könnten allerdings durch ein Software-Update geschlossen werden. Die Branche müsse dabei nicht auf einen neuen Standard WPA3 warten.

Der Forscher räumte ein, dass manche entdeckte Angriffsszenarien schwierig umzusetzen seien. „Das sollte aber nicht zur Fehleinschätzung führen, dass die Attacken in der Praxis nicht zu einem Missbrauch führen können.“ Anwender sollten sich nun bei den Herstellern ihrer WLAN-Geräte nach einem „Patch“ erkundigen. Die US-amerikanischen Netzwerkausrüster Aruba und Ubiquiti stellen bereits Sicherheitsupdates zur Verfügung. Das Berliner Unternehmen AVM, Hersteller der in Deutschland populären Fritzbox, erklärte, man werde „falls notwendig wie gewohnt ein Update bereitstellen“.

Inzwischen haben erste Anbieter von Geräten und Software die Schwachstelle gestopft. Mehrere Spezialisten für Netzwerk-Technik wie Cisco, Intel, Netgear und Aruba veröffentlichten entsprechende Sicherheits-Updates. Bei Microsoft wurde die Sicherheitslücke bereits in den frisch veröffentlichten Software-Aktualisierungen berücksichtigt. Apple schloss die Lücke in den aktuellen Beta-Versionen seiner Betriebssysteme, die demnächst für alle verfügbar sein sollten.

Ob die „Patches“ auch für ältere Versionen der Betriebssysteme kommen werden, ist bislang unklar. Experten gehen insbesondere beim Google-Betriebssystem Android davon aus, dass etliche Gerätehersteller nur mit großer zeitlicher Verzögerung oder gar nicht ein Update liefern werden.

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2 Kommentare

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  • Ubuntu- und Linux-Mint-User sollten sudo apt-get update && sudo apt-get upgrade ausführen (oder per Paketverwaltung ein System-Upgrade anstoßen). Sie erhalten damit aktuell ein gepatchtes wpasupplicant, das unter Linux- und Android-6.x-Systemen hauptsächlich für die Angreifbarkeit verantwortlich ist.

    Auch für Debian-Systeme gibt es bereits einen Patch (selbe Befehle wie oben zur Systemaktualisierung, die Security-Repos müssen aber aktiviert sein).

  • Es gibt nur wenige von Forschern entdeckte Sicherheitslücken, die Laien nicht schon Jahre zuvor entdeckt haben.

     

    Jedoch gibt es die Gewißheit, daß bei überarbeiteten Bundestrojanern und anderer Schnüffelsoftware der Sicherheitsbehörden kurz darauf weltweit viele Hacker jubeln, weil dies regelmäßig deren Möglicheiten stark erweitert.

     

    Daneben gibt es jedoch auch diverse Fake-Warnungen, die sich immer dann großer Beliebtheit erfreuen, wenn es Sicherheitsbehörden nicht gelungen ist, eine Verschlüsselungstechnik zu knacken.

     

    Geändert hat sich gegenüber dem, was zuvor schon war, nahezu nichts. Nach wie vor gilt, daß der beste Schutz vor unangenehmen Überraschungen immer der ist, den Verstand nicht für eine schlimme Krankheit zu halten.