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Forderung nach Militärputsch in BrasilienRechte stürmen Parlament

Demonstranten dringen in einen Sitzungssaal ein und verlangen die Machtübernahme durch das Militär. Abgeordnete warnen vor einer „Ära der Extreme“.

Szene aus dem brasilianischen Parlament am Mittwoch, 16. November Foto: dpa

Brasília afp/dpa | Dutzende rechtsgerichtete Demonstranten haben am Mittwoch das brasilianische Parlament gestürmt und einen Militärputsch gefordert. Die etwa 40 Eindringlinge überwanden den Wachschutz im Kongress und zertrümmerten eine Glastür, wie Abgeordnete sagten. Sie störten mit Sprechchören den Sitzungsbeginn der Abgeordnetenkammer.

Ein Sprecher von Präsident Michel Temer bezeichnete den Vorfall als „Affront“. Es habe sich um eine „Verletzung der Normen demokratischer Koexistenz gehandelt“. Parlamentarier äußerten sich besorgt. Der Abgeordnete Betinho Gomes sagte, der Vorfall sei eine „Warnung“. „Wir kehren in eine Ära der Extreme zurück“, sagte der Politiker. Von 1964-1985 herrschte in Brasilien eine Militärdiktatur.

Die Protestler forderten laut der Zeitung Folha de São Paulo die Anwesenheit des brasilianischen Präsidenten Michel Temer und eines Generals. Polizisten nahmen die Eindringlinge nach und nach fest, wobei sie außerhalb des Gebäudes Pfefferspray einsetzten.

Brasilien steckt tief in einer Rezession. Die Wirtschaftsleistung des lateinamerikanischen Landes ging im vergangenen Jahr um 3,8 Prozent zurück. Für dieses Jahr wird ein weiterer Rückgang erwartet. Die gesellschaftlichen Spannungen sind groß, die Unzufriedenheit wächst. In den vergangenen Jahren wurde Brasilien von sozialen Massenprotesten erschüttert. Hinzu kommen Korruptionsaffären, die auch Temers Kabinett erfasst haben.

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5 Kommentare

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  • Interessant. Der Guardian berichtet über die gleichen Proteste (https://www.theguardian.com/world/2016/nov/16/brazil-rio-de-janeiro-police-pepper-spray-protest-olympics). Nur findet man dort kein Wort über "Rechtsextreme" oder der Forderung nach einem "Militärputsch". Es geht vielmehr darum, daß viele staatliche Angestellte als Folge der Olympia-Ausgaben entweder gar nicht oder nur mit monatelanger Verspätung bezahlt wurden.

    • @jhwh:

      In dem Guardian-Artikel geht es um Proteste in Rio de Janeiro. Dort wurde vor dem Pendant eines Landtags demonstriert. Rio de Janeiro ist aber entgegen verbreiteter Meinung vieler nicht die Hauptstadt Brasiliens und beherbergt nicht das Parlament oder den Kongress.

       

      Die taz berichtet hier aus Brasilia, das ist die Hauptstadt Brasiliens. Aber auch der Guardian berichtet am Ende seines Artikels über den Vorfall in der Hauptstadt und sagt, die Eindringlinge forderten die Rückkehr zu "military rule" also Militärherrschaft. Interessant ;)

       

      Das Problem, dass Angestellte der Kommunen, der Distrikte oder des Staates nicht oder viel zu spät bezahlt werden gibt es in Brasilien nicht erst seit den Olympischen Spielen. Vor allem Lehrer an öffentlichen Schulen "streiken" oft und lange um während der Zeit in anderen Jobs Geld für ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Geändert hat sich daran in den vergangenen Jahrzehnten leider wenig. Olympia hat das Problem allerdings noch verstärkt.

      • @dreidreizehn:

        Auch hier danke für die Aufklärung. (s.u.)

    • @jhwh:

      Aus dem verlinkten Guardian-Artikel:

       

      "Meanwhile, a group of protesters broke inside the lower house of congress, the Chamber of Deputies, in Brasilia on Wednesday. [...] They gathered in the middle of the plenary, chanting that they wanted a return to military rule"

       

      Das klingt doch schon nach gewünschtem Militärputsch...

      • @Sowohlalsauch:

        Stimmt. Hatte ich überlesen. Da haben offensichtlich zeitgleich Proteste in Rio und in Brasilia stattgefunden.