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Touristen-Hotspot mit all seinen negativen Auswirkungen: das Santa Claus Village in Rovaniemi Foto: Jim Huylebroek/TNYT/laif

Folgen von Massentourismus in FinnlandZwischen Rentieren und Wohnungsnot

Die nordfinnische Stadt Rovaniemi boomt dank Santa Claus. Doch für viele Einheimische wird der Wohnraum knapp und der Alltag im Touristentrubel enger.

Aus Rovaniemi

Louisa Zimmer

D er Himmel hängt wolkenverhangen über Rovaniemi im Norden Finnlands. Es ist ein ruhiger Freitagmorgen Ende Oktober. An der kleinen Bushaltestelle hängt der Aushang beschlagen von Regentropfen. Ein grüner Bus rollt an, seine Fassade zieren Rentier-Illustrationen. „Geht es hier zum Dorf des Weihnachtsmanns?“, fragt ein älterer Mann aus Singapur auf Englisch, sichtlich nervös. „No“, sagt der junge finnische Busfahrer freundlich und fährt weiter.

Rovaniemi zählt mit rund 66.000 Ein­woh­ne­r:in­nen (Stand:Dezember 2024) zu den kleineren Städten Finnlands. Flächenmäßig bildet sie gemeinsam mit dem Umland auf 8.017 Quadratkilometern die größte Gemeinde Europas. Bekannt geworden ist sie als Heimat des Weihnachtsmannes – ein Ruf, der Jahr für Jahr Hunderttausende anzieht. Im Jahr 2024 kamen laut offizieller Statistik über 600.000 Gäste.

Doch hinter dem freundlichen Weihnachtsimage wird es für viele Ein­woh­ne­r:in­nen eng. Die wachsende Zahl an Be­su­che­r:in­nen treibt Mieten und Lebenshaltungskosten nach oben, zahlreiche Wohnungen gehen an Kurzzeitvermietungen verloren. Wer in Rovaniemi genauer hinhört, spürt die wachsende Kluft zwischen touristischer Kulisse und sozialem Alltag. Kurz vor Beginn der neuen Saison steht die Stadt vor immer größeren Herausforderungen – auch weil sich der Besucherandrang auf die Wintersaison konzentriert. Neben dem Weihnachtsmann locken Nordlichter und die lappländische Wildnis. Nach Helsinki ist Rovaniemi das beliebteste Reiseziel Finnlands; in diesem Winter könnte erstmals die Marke von einer Million Gästen überschritten werden – trotz eines moderateren Wachstums im Vergleich zum Vorjahr.

Das sagt Sänna Kärkkäinen, Geschäftsführerin bei Visit Rovaniemi, der offiziellen Touristenorganisation der Stadt. „Im letzten Jahr hatten wir über 30 Prozent Wachstum, dieses Jahr werden es nur 10 bis 15 Prozent. Wir haben beinahe eine volle Auslastung in den Hotels und Ressorts“, berichtet sie beim Gespräch mitten im Santa Claus Village. Wer es besucht, fühlt sich wie in einem merkwürdigen Transitort zwischen einer Europastraße und einem Waldgebiet.

Massentourismus in Europa

Wohnungsmarkt 
In vielen europäischen Städten führt Massentourismus zur Verdrängung von Bewohner:innen. Wohnungen werden in Ferienapartments umgewandelt, Mieten steigen, langfristige Mietverträge verschwinden. Orte wie Barcelona, Lissabon, Florenz oder Salzburg reagieren bereits mit strengeren Regeln für Kurzzeitvermietungen, weil Teile ihrer Innenstädte für Einheimische kaum noch bewohnbar sind.

Stadtbild und soziale Struktur
 Innenstädte verändern ihre Funktion und werden zu konsumorientierten Kulissen. Lokale Geschäfte weichen Souvenirshops, Bars und Erlebnisangeboten. In Venedig, Dubrovnik oder Amsterdam sind ganze Stadtviertel fast ausschließlich auf Tou­ris­t:in­nen ausgerichtet. Die alltägliche Infrastruktur schrumpft, während die Stadt sich zunehmend wie ein Themenpark anfühlt.

Preise und Lebenshaltungskosten
Mit steigendem Touristenaufkommen steigen auch die Preise für Essen, Dienstleistungen, Taxis und Freizeitangebote. In Island, Teilen Norwegens oder in Südtirol berichten Be­woh­ne­r:in­nen von saisonalen Preisexplosionen, die den Alltag für Einheimische erheblich verteuern. Auch in kleineren Orten kann dieser Effekt ganze Regionen wirtschaftlich umkrempeln.

Politische Gegenmaßnahmen
Viele Städte experimentieren inzwischen mit Touristensteuern, Besucherobergrenzen und strengeren Regeln für Airbnb. Beispiele reichen von Amsterdam über Lissabon bis Tromsø. Die Debatte, wie viel Tourismus eine Region verträgt, wird europaweit geführt – und sie gewinnt an Schärfe, je deutlicher die sozialen und ökologischen Folgen werden.

Gemeinsam mit dem Santa Claus Village organisiert Sänna Kärkkäinen in ihrer Rolle als Geschäftsführerin von Visit Rovaniemi den „Countdown to Christmas“, die offizielle Eröffnung der Weihnachtssaison. In diesem Jahr fand die Veranstaltung am 25. Oktober, einem Samstagabend, statt. Schon am Nachmittag füllte sich das Weihnachtsmanndorf: herbstliche Kälte, kein Schnee, der Geruch von verbranntem Holz statt nach Glöggi. Auf der Polarkreislinie ließ sich ein Ehepaar aus München fotografieren; sie erzählten, dass sie auf der Durchreise seien und vom Santa Claus Village vorher nichts wussten. Im Postbüro daneben schrieben japanische Reisende Postkarten.

Das größte Problem in diesem Semester ist definitiv die Wohnsituation


Mariel Tähtivaara, Jurastudentin

„Die nordischen Regionen sind ein Trendgebiet. Es ist luxuriös und Instagram-tauglich hier“, erklärt Sanna Kärkkäinnen. Sie reibt sich die Hände und zieht ihre Handschuhe über, bevor sie zu sprechen beginnt. „Wir hatten viele Prominente und Influencer, die ihre Erfahrungen mit der Welt geteilt haben.“ Auch Cristiano Ronaldo reiste bereits mit seiner Familie an Weihnachten nach Rovaniemi und teilte seine Eindrücke auf seinem Instagram-Kanal. „Die Influencer und Prominenten bezahlen ihre Reisen mittlerweile selbst. Wir sind glücklich, wenn sie Videos, Instagram-Bilder oder Tiktok-Videos posten“, erklärt Kärkkäinen.

Ein paar Meter weiter empfängt der Weihnachtsmann im Santa Claus Village Menschen das ganze Jahr über – das Dorf ist kein saisonaler Freizeitpark, sondern eine dauerhaft geöffnete Kulisse. Ein Holzweg führt vorbei an Geschenken und Zeichnungen zu seinem Büro. Im Foyer hängen Bilder mit berühmten Persönlichkeiten – etwa den Spice Girls, dem chinesischen Staatsoberhaupt Xi Jinping oder dem finnischen Präsidenten Alexander Stubb. Der Weihnachtsmann nimmt sich Zeit für ein Gespräch mit der taz – er empfängt Medienvertreter so herzlich wie all seine Gäste, nur etwas länger. Gute PR ist ihm wichtig, dafür macht er auch mal Überstunden.

Der Weihnachtsmann empfängt das ganze Jahr, denn das Dorf ist kein saisonaler Freizeitpark, sondern dauerhaft geöffnet Foto: Louisa Zimmer

Wer „Santa“ trifft, nimmt auf einem großen Holzstuhl Platz. Der Weihnachtsmann hält den Blick lange, spricht leise und warm. Smalltalk gelingt ihm auf Deutsch, für das eigentliche Gespräch wechselt er ins Englische. „Wie kann ich dir helfen?“, fragt er langsam. Auf konkrete Wünsche seiner Be­su­che­r:in­nen geht er nur ungern ein. Er erzählt lieber davon, dass Menschen aus aller Welt willkommen seien. Sie alle wolle er daran erinnern, dass rund um Weihnachten eine Welt voller Märchen und Träume liegt.

Hinter diesem märchenhaften Büro steckt eine Geschichte, die älter ist, als viele Be­su­che­r:in­nen ahnen. Der finnische Weihnachtsmann ist keine überlieferte Tradition, sondern eine Erfindung der Moderne. 1927 verlegte ein Radiomoderator den Joulupukki – ursprünglich ein raues Winterwesen aus der finnischen Folklore, halb Mann, halb Ziegenbock – kurzerhand auf den Berg Korvatunturi nahe der russischen Grenze. Nach der fast vollständigen Zerstörung Rovaniemis im Lapplandkrieg 1944 wurde die Stadt neu aufgebaut – und mit ihr der Weihnachtsmythos. Für den Besuch der ehemaligen US-First-Lady Eleanor Roosevelt entstand 1950 die kleine „Roosevelt Cottage“. Aus dieser Hütte entwickelte sich in den 1980er Jahren das Santa Claus Village: nicht organisch gewachsen, sondern gezielt entworfen. Ein touristisches Konzept, das seither Jahr für Jahr weiter aufgeladen wird.

Laut Visit Rovaniemi schafft die Branche jährlich rund 2.000 Vollzeitarbeitsplätze

Auch Taina Torvela kennt diese sagenumwobene Welt gut. „Ich war Santas Chefelfe, und zwar als Geschäftsführerin“, lacht sie. In den 80er Jahren hat die pensionierte Unternehmerin die Marketingstrategie um den Weihnachtsmann und seine finnische Herkunft maßgeblich mitgestaltet. Die Organisation „The Land of Santa Claus“ wurde mit Geldern des finnischen Staates unterstützt. Heute wirkt Torvela etwas ernüchtert vom Weihnachtsmann. „Der ursprünglichen Geschichte zufolge befindet sich das wahre Zuhause des Weihnachtsmanns auf einem Berg, an einem geheimen Ort“, sagt sie. Ihre Nachbarn haben Wohnungen dauerhaft an Tou­ris­t:in­nen vermietet, die später den Hausfrieden in ihrem Wohnkomplex gestört haben sollen.

Seitdem engagiert sie sich als Vorsitzende im Housing Companies’ Network, einem Zusammenschluss von An­woh­ne­r:in­nen von Wohnungsgenossenschaften, die sich gegen illegale Kurzzeitvermietungen und für ruhiges Wohnen sowie nachhaltigen Tourismus engagieren. Gemeinsam mit ihren Mistreitenden hat Torvela zweimal für diese Anliegen protestiert. Derzeit arbeitet sie mit der Stadtverwaltung und ihrem Netzwerk an einer Regulation gewinnorientierter Kurzzeitvermietungen. Eine Obergrenze für die Mietdauer soll im kommenden Jahr eingeführt werden. Torvela wünscht sich zudem, dass sich die touristische Stadtentwicklung abseits des Zentrums verlagert – mit Tourismuskomplexen und dezentralisierten Siedlungen wie dem Santa Claus Village. „Dann könnten wir ein lebhaftes Stadtzentrum für die Einwohner bewahren“, hofft sie.

Wie niedlich ist das denn? Die Probleme vor Ort sind für die Einheimischen und Studierenden eher nicht so niedlich Foto: Louisa Zimmer

Im kleinen Stadtzentrum reihen sich inzwischen Dutzende Souvenirläden und Safari-Anbieter aneinander – Geschäfte, die kaum noch etwas mit dem Alltag der Be­woh­ne­r:in­nen zu tun haben. Rentierfarmen, Huskyschlittentouren, Schneemobil-Ausflüge: eine Erlebnisindustrie, die in der Wintersaison im Akkord arbeitet. Besonders die „Aurora-Hunting-Tours“ boomen. Nacht für Nacht fahren Minivans los, oft mehrere Hundert Kilometer weit, bis an die norwegische oder schwedische Grenze. Für die Guides bedeutet das Schichten bis in den Morgen, für die Natur zusätzlichen Verkehr, der früher schlicht nicht existierte. Die Preise sind ein eigenes Kapitel. Ein einzelner Ausflug kostet zwischen 80 und 200 Euro, Preise der Hotelzimmer vervielfachen sich in der Hochsaison. Eine Übernachtung in der Bungalowsiedlung neben dem Santa Claus Village liegt im Dezember bei 750 Euro – trotzdem ist vieles ausgebucht. Für viele Einheimische hat sich das Zentrum dadurch zu einer Art Themenpark entwickelt: auf Tou­ris­t:in­nen ausgerichtet, für sie selbst jedoch kaum noch bezahlbar und immer weniger nutzbar. Der Boom wirft weitere Schatten: Eine Hotelmitarbeiterin berichtet von illegalen Taxis und überhöhten Restaurantpreisen. Finnische Medien schreiben über prekäre Arbeitsbedingungen bei Tourismusunternehmen, über die schlechte Behandlung von Schlittenhunden und vereinzelte kriminelle Vorfälle. Doch der Massentourismus bringt Geld in die Stadt – und verändert Rovaniemi tiefgreifend. Und viele hier spüren diese Veränderungen stärker als den Profit.

Der Stimmung im Santa Claus Village tut das erst mal keinen Abbruch. Am frühen Abend flackern die Lichter der Weihnachtsbäume vor dem Santa Claus Office hell. Die Sprachen vermischen sich auf dem Vorplatz, wo sich Erwachsene und Kinder voller Vorfreude vor eine Bühne drängen. Mit einer Party wird hier der Start der Weihnachtssaison eröffnet. Der Weihnachtsmann hält eine emotionale Rede, in der er den Zusammenhalt in der Welt betont. Manche im Publikum halten ihr Handy hoch und haben ihre Verwandtschaft per Videoanruf zugeschaltet. Doch wenn die Tou­ris­t:in­nen kommen, wird der Alltag für andere eng – vor allem für jene, die hier das ganze Jahr über leben, auch außerhalb des touristischen Stadtkerns. Dort befindet sich auch der Campus der University of Lapland. Er liegt in der Natur, viele Studierende leben hier. In der Siedlung befindet sich auch das Büro der Studentenvereinigung LYY. Hier arbeitet die Jurastudentin Mariel Tähtivaara. Vor drei Jahren zog sie von Helsinki nach Rovaniemi. „Ich wollte wissen, wie das Leben hier oben im Norden ist“, erinnert sie sich. „Wir haben eine tolle Studentengemeinschaft, die sich wirklich wie eine Familie anfühlt.“ Derzeit befindet sie sich im letzten Jahr ihres Jura-Masters.

Einen Großteil ihrer Freizeit verbringt sie damit, sich für die Belange von Studierenden einzusetzen. „Das größte Problem in diesem Semester ist definitiv die Wohnsituation“, schildert Tähtivaara. „Es gibt nicht genug Wohnungen. In den letzten Wochen sind wir am schlimmsten Punkt der Wohnkrise angekommen.“ Erst kürzlich hat sie mit ihren Kol­le­g:in­nen eine Umfrage durchgeführt: 56 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Probleme bei der Wohnungssuche vor Semesterstart hatten. „Viele Befragte gaben an, dass sie ihre Unterkunft erst eine oder zwei Wochen vor dem Semesterbeginn bekommen haben. Das führt zu einem psychologischen Gefühl von Unsicherheit und Stress“, merkt Tähtivaara an.

Sie berichtet von Studierenden, deren Mietverträge kurz vor Beginn der Weihnachtssaison gekündigt werden. „Die Wohnungen werden dann per Airbnb vermietet“, erklärt sie. Einige der Studenten lebten wochenlang in Zelten hinter dem Campus. Inzwischen schlafen sie in einem provisorischen Klubraum – aber auch dort nur bis Ende November. Wie geht es danach mit den Studierenden weiter? Tähtivaara wirkt betrübt. „Viele ziehen zurück in ihre Heimat.“ Im letzten Jahr wurden Kurse der Universität auf dem Campus einer anderen Stadt oder remote gehalten. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung und dem Anbieter von den Studentenwohnungen diskutiert Tähtivaara derzeit den Bau eines neuen Wohnheims. „Es gibt einen politischen Willen in Rovaniemi, der Wohnkrise entgegenzusteuern. Doch bis hierhin hat es einige Jahre gedauert“, bemerkt Tähtivaara.

Gleichzeitig sagt sie immer wieder, wie wichtig der Tourismus für die Stadt und die Studierenden ist. Laut Visit Rovaniemi schafft die Branche jährlich rund 2.000 Vollzeitarbeitsplätze. Gleichzeitig gehört Finnland mit einer Arbeitslosenquote von fast 10 Prozent zu den Ländern mit der höchsten Arbeitslosenquote in der EU. Bei Gesprächen in Rovaniemi berichten Mitarbeiter von Tourismusunternehmen, dass sie aus Frankreich, Vietnam oder von den Philippinen stammen und für ihr Studium nach Lappland gekommen sind.

Die Frage, wie viel Tourismus die Kleinstadt im hohen Norden verträgt, stellt sich überall in Rovaniemi. Viele der Probleme, von denen Einheimische erzählen, kennt man auch aus anderen stark besuchten Orten. Vergleichbar ist Rovaniemi jedoch eher mit kleineren nordischen Städten wie Tromsø als mit Metropolen wie Barcelona oder Paris. Auch dort wachsen die Besucherzahlen, auch dort führt Kurzzeitvermietung zu Konflikten. Norwegen führt im kommenden Jahr eine Touristenabgabe von 3 Prozent pro Übernachtung ein – ein Modell, das in Rovaniemi ebenfalls diskutiert wird. Das Projekt „Return“ unter Leitung der University of Lapland untersucht derzeit, wie touristische Einnahmen stärker in die lokale Gemeinschaft und in den Schutz der Umwelt zurückfließen könnten.

„Ein interessantes Beispiel ist das deutsche Kurtaxe-Modell“, erklärt Projektleiter Ari Laakso. Die Kurtaxe ist eine Abgabe, die Touristen in deutschen Erholungs- und Kurorten auf jede Übernachtung zahlen. Diese Einnahmen werden zur Pflege und Instandhaltung von touristischen Einrichtungen sowie zur Finanzierung von kulturellen Angeboten verwendet. Bis ein solches Modell in Rovaniemi eintreten könnte, wird es noch dauern. Das Gesetz zur Regulation von Kurzzeitvermietungen soll erst im kommenden Frühjahr beschlossen werden.

Doch die damit einhergehenden sozialen Herausforderungen sind nur die Spitze des Eisberges: Auch die Natur und das Klima Lapplands sind massiv im Wandel. In diesem Sommer gab es Berichten zufolge eine zweiwöchige Hitzewelle mit für Lappland ungewöhnlichen Temperaturen von 30 Grad. Laut Studien erwärmt sich die arktische Region viermal so schnell wie der Rest der Welt. Kürzlich veröffentlichte der Guardian eine Recherche zum Schwund von Naturgebieten in Lappland durch den Bau von Hotels, Skipisten und Ferienhütten. Dadurch werden auch die traditionellen Rentierherden und Siedlungsgebiete der Sámi gefährdet.

Die Sámi sind die einzige indigene Bevölkerung Europas, die in lappländischen Regionen in Finnland, Schweden, Norwegen und der russischen Kola-Halbinsel lebt. Sie haben eine eigene Sprache und Kultur, viele leben von Fischfang, Jagd und Rentierhaltung. Ihr Lebensraum wird durch Siedlungsbau, Klimawandel und Bergbau bedroht. Im Zentrum von Rovaniemi leben im Vergleich mit dem Rest Lapplands weniger Sámi. Ihre Siedlungsgebiete beginnen weiter nördlich, in Regionen wie Inari oder Enontekiö, die immer beliebter als Reiseziel werden.

Wer das renommierte Museum und Forschungszentrum Arktikum im Zentrum Rovaniemis besucht, kann sich umfänglich über Rovaniemi informieren. Dort geht es um die Geschichte der Stadt und der Region Lappland mit seinen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und multiplen Herausforderungen. „Die Besucher sollen die Geschichte Lapplands kennenlernen und sich über die Sámi-Kultur informieren“, fordert Taina Torvela. „Denn der Weihnachtsmann ist uns wichtig, unsere Heimat Lappland aber noch viel mehr.“

Am Abend leert sich das Zentrum von Rovaniemi. Eine chinesische Touristengruppe zieht vorbei, Einheimische erledigen letzte Einkäufe, Studierende stehen vor einer Bar. Im Café warten Reisende auf den Nachtzug nach Helsinki, während im Schaufenster eines Reisebüros Nordlichter und Huskys über den Bildschirm flimmern. Ein Mitarbeiter im Schneeanzug tritt hinaus – die ersten Minivans für die Touren stehen bereit. Die Bushaltestelle, an der am Morgen der Tourist aus Singapur gewartet hat, ist leer. Der grüne Rentierbus fährt vorbei, diesmal ohne Halt. Für einen Moment liegt Ruhe über der Stadt, die sich bald wieder in die Hauptstadt der internationalen Weihnachtsträume verwandeln wird.

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