Folgen der Anerkennung Somalilands: Das Wespennest am Roten Meer
Viele arabische Länder beobachten die Vorgänge um Somaliland mit Argwohn. Aber nicht wegen Somalia, sondern wegen der Kriege in Jemen und Gaza.
Der beste Ausgangspunkt, die strategische Bedeutung der Anerkennung Somalilands durch Israel zu verstehen, ist ein Blick auf die Landkarte. Vor der Küste von Somaliland endet das Rote Meer und öffnet sich nach der Meerenge Bab El-Mandab das Arabische Meer hin zum Indischen Ozean.
Hier entlang führt eine der wichtigsten internationalen Handels-Routen, die Europa und Asien verbindet. An der gegenüberliegenden Küste zu Somaliland liegt Jemen. Das Land hatte sich in den letzten zwei Jahren zu einem Nebenschauplatz des Gaza-Krieges entwickelt. Die Huthi-Rebellen im Norden Jemens hatten Raketen und Drohnen in Richtung Israel abgeschossen und auch die internationale Schifffahrt im Roten Meer angegriffen, bedroht.
Wer in Somaliland sitzt, erhält strategische Aufklärungstiefe weit nach Jemen hinein. Das „Institut for National Security Studies“ der Tel Aviv Universität beschreibt Somaliland als eine vorgeschobene militärische Basis. Von dort aus könnten die Bewegungen der Huthis beobachtet und direkte militärische Operationen durchgeführt werden.
Somaliland beherbergt bereits im Hafen Berbera eine Militärbasis der Vereinigten Arabischen Emirate, die mit den Abraham-Abkommen auch diplomatische und sicherheitspolitische Beziehungen mit Israel unterhalten. Berbara ist ein Stützpunkt, den die Emirate sowohl für militärische Operationen im Jemen nutzen, wie in den letzten Wochen in Hadramaut, als auch für den Nachschub von Waffen an die RSF-Milizen in Sudan.
Ein „Desaster“ für Ägypten?
Die neue Partnerschaft zwischen Israel und Somaliland alarmiert zahlreiche Länder am Roten Meer sowie in der weiteren Region. Saudi-Arabien betrachtet die Vereinigten Arabischen Emirate als Konkurrent am Golf und verfolgt deren Aktivitäten mit Missgefallen, ebenso einen möglichen Ausbau israelischer militärischer Infrastruktur im südlichen Teil des Roten Meeres. Das gilt auch für Ägypten, das eine israelischen Präsenz am Südende des Roten Meeres als ein potentielles Erpressungspotential für einer seiner wichtigsten strategischen Lebensadern betrachtet – den Suezkanal.
Muhammad Bassal, leitender Redakteur der ägyptischen Tageszeitung Schrouk, beschreibt das Ganze als „ein Desaster“ und zeigt mit seinem Finger noch auf einen weiteren Aspekt: Er spricht von der Gefahr einer israelischen militärischen Infiltration in der Nähe der Nilquellen in Äthiopien.
Die Türkei ist eine andere Regionalmacht, die sich betroffen fühlt. Sie unterhält wie Ägypten, gute Beziehungen zu Somalia, mit dem es eine Sicherheitskooperation unterzeichnet hat. Türkische Firmen operieren den Hafen von Mogadischu und das Land unterhält dort auch eine Militärbasis.
Von Gaza nach Somaliland?
Somaliland ist also ein strategisches Wespennest. Und als ob das nicht schon alles genug wäre, gibt es noch eine weitere ungute Verbindung von Somaliland nach Gaza, über 2.200 Kilometer entfernt. Mitte letzten Jahres gab es Diskussionen zwischen der israelischen und der US-Regierung über Somaliland als eine mögliche Destination für aus dem Gazastreifen zu vertreibende Palästinenser.
Während einer Pressekonferenz im Weißen Haus wurde US-Präsident Donald Trump über eine mögliche Verbindung zwischen einer Anerkennung Somalilands und der dortigen Aufnahme von Palästinenser gefragt. Man sehe sich das an, das sei eine komplexe Frage, antwortete Trump damals ausweichend. Indem Israel nun selbst die Anerkennung vollzieht, wird die Möglichkeit von Somaliland als möglichem Abladeplatz für Palästinenser für die Zukunft zumindest offengehalten.
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