Förderung für Langzeitarbeitslose: Verschenkt Hamburg Millionen?

Trotz Geldsegens aus Berlin schafft Hamburg kaum Jobs für Langzeitarbeitslose. 30 Millionen könnten nun zurück an den Bund gehen.

Ein Paket aus Fünfziger-Scheinen

Scheint Hamburg übrig zu haben: ein Batzen Geld Foto: Deutsche Bundesbank

HAMBURG taz | Hamburg droht eine Blamage in der Sozialpolitik. Bleibt es beim jetzigen Trend, hat das Jobcenter zum Jahresende 30 Millionen Euro übrig, die eigentlich für die berufliche Eingliederung von Langzeitarbeitslosen gedacht sind. Das Geld ginge in den Bundesetat zurück. Das gab es in dieser Größenordnung noch nie.

Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) würde damit Vorgänger Detlef Scheele (SPD) übertrumpfen, der 2011 arg in Bedrängnis geriet, als er nach einer Sparrunde fast 20 Millionen Euro ungenutzt zurückgab.

Ausgerechnet hat diese Summe die Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit (LAG), in der die 16 Beschäftigungsträger der Stadt organisiert sind. „Das Jobcenter schwimmt im Geld“, sagt Sprecherin Petra Lafferentz. Von rund 157 Millionen Euro für das Jahr 2019 waren in den ersten vier Monaten erst rund 42 Millionen Euro ausgegeben. Multipliziert mit drei bedeutet dies, dass in den zwölf Monaten allenfalls 126,5 Millionen Euro ausgegeben werden – bleiben 30 Millionen.

Doch das Geld wurde aus Berlin überwiesen, um den rund 40.000 Langzeitarbeitslosen der Stadt eine Perspektive zu bieten. Das „Teilhabechancengesetz“ soll einen sozialen Arbeitsmarkt aufbauen und allein in Hamburg 4.000 feste Jobs schaffen, bei denen der Staat in den ersten zwei Jahren 100 Prozent und in den drei folgenden 90, 80 und 70 Prozent des Lohns zahlt.

1.000 Plätze gefordert

Doch laut LAG passierte das Gegenteil. Gab es 2018 noch ein älteres Teilhabeprogramm mit immerhin 280 Plätzen, so sind es laut Stichtag 31. Mai mit dem neuen nur 249. Und weil zugleich auch noch zwei weitere Bundesprogramme für etwas leichter Vermittelbare auslaufen, seien „im Saldo 100 Stellen abgebaut worden“, so Lafferentz. Das widerspreche dem Koalitionsvertrag der Stadt.

Dort hatte sich Rot-Grün vorgenommen, einen sozialen Arbeitsmarkt mit 1.500 Stellen aufzubauen. LAG-Mitglied Peter Bakker fordert deshalb sofort 1.000 Plätze. Suppenküchen und Nachbarschaftsprojekte in ärmeren Quartieren könnten davon profitieren. „Das wäre eine Win-win-Situation“.

Petra Lafferentz, LAG Arbeit

„Wenn die Politik kein Machtwort spricht, gehen die Millionen zurück“

Der Knackpunkt ist die Co-Finanzierung. Das alte „Teilhabeprogramm“ von 2018 beinhaltete noch pro Platz 400 Euro vor für Anleitung, Miete der Räume und Infrastruktur oder schlichte Dinge wie Waschmittel in einem Second-Hand-Laden.

Doch die Sozialbehörde interpretiert die Gesetzeslage nun so, dass es diesen Zuschuss nicht gibt und der Teilnehmer diese Kosten selbst erwirtschaftet. Dabei setzt sie auf Jobs in der freien Wirtschaft. Nur sind bisher von besagten 249 Plätzen lediglich zwölf dort entstanden, die übrigen bei gemeinnützigen Trägern.

Gesamtbudget verplant

Nicht ohne Grund, wie die LAG meint. Die Anleitung von Langzeitarbeitslosen sei den Betrieben zu mühsam. „Wir fordern, dass es einen Arbeitgeberzuschuss gibt, der allen zur Verfügung steht: der Wirtschaft und den Trägern“, sagt LAG-Frau Gudrun Steffaniak. Das Geld sei ja da. Und das Sozialgesetzbuch erlaube dies in der Experimentierklausel nach Paragraf 16 f.

Eben so eine Aufstockung über die Lohnkosten hinaus sei „rechtlich nicht zulässig“, entgegnet Jobcenter-Sprecherin Kirsten Maaß. „Das ist quatsch. Langzeitsarbeitslose sind ausgenommen von diesem Aufstockungsverbot“, entgegnet Petra Lafferentz. Dem Behörden-Apparat fehle es schlicht an Mut.

Das Jobcenter beurteilt die Lage insgesamt optimistischer. Gegenüber dem Vorjahr gebe es weniger Langzeitarbeitslose und mit aktuell 11.200 Menschen 39 Prozent mehr in arbeitsmarktpolitischer Förderung. Sprecherin Maaß räumt ein, dass 2019 36 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen und davon nur gut ein Sechstel für Teilhabeplätze vorgesehen ist.

Dennoch sei das Gesamtbudget „vollständig verplant“. Lafferentz nennt das Wunschdenken. „Wenn die Politik kein Machtwort spricht, gehen die Millionen zurück.“

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