Förderprogramm für den Journalismus: Viele Pferdefüße
Die Bundesregierung startet ein Förderprogramm mit rund eine Million Euro. Im Kleingedruckten finden sich allerdings knifflige Details.
Wir dürfen uns Monika Grütters als glückliche Politikerin vorstellen. Zwar ist die CDU-Frau nicht Regierende Bürgermeisterin von Berlin geworden, doch immerhin ihren lieben Kolleg*innen vom Wirtschaftsministerium hat die Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM) ein Schnippchen geschlagen. Während das BMWi unter ihrem Parteifreund Peter Altmaier die geplante Presseförderung des Bundes im Frühjahr 2021 vergurkte und entsprechende Pläne erst mal wieder in der Schublade versenkte, schafft Grütters Fakten. Und legt einfach ein eigenes Programm zur Journalismusförderung auf.
Rund eine Million Euro stehen noch dieses Jahr aus Grütters’ Etat zur Verfügung. Gefördert werden „Modellprojekte, die die strukturellen Bedingungen journalistischer Arbeit stärken und zum Schutz des eigenständigen und unabhängigen Journalismus beitragen.“
Gedacht ist an Maßnahmen, die „den Wert und die Bedeutung des Qualitätsjournalismus für die Demokratie vermitteln“, auch „Exilprogramme für ausländische Journalistinnen und Journalisten“ oder Projekte an Journalistenschulen können unterstützt werden. „Auch andere Projektideen, die einen strukturellen Mehrwert für den Journalismus bieten, sind willkommen. Die geförderten Projekte sollen bundesweite Strahlkraft besitzen und möglichst viele gesellschaftliche Gruppen ansprechen“, heißt es in der Ausschreibung recht wolkig weiter. Zwischen den Zeilen lässt sich leicht herauslesen, dass hier etwas mit ziemlich heißer Nadel gestrickt wurde.
Direkte Journalismusförderung ist dabei selbstverständlich tabu. „Eine Förderung journalistischer Inhalte, einzelner Medien oder einzelner Medienschaffender ist nicht möglich“, heißt es weiter. Denn sonst blieben die Staatsferne, die Unabhängigkeit der Presse und der publizistische Wettbewerb auf der Strecke.
Noch mehr Probleme
Nun ist zunächst mal jede Unterstützung für Journalismus prima. Wie viel Sinn Grütters’ Abschiedsgeschenk an die Medienbranche macht, ist allerdings offen. Nur eins ist sicher: Sie selbst dürfte die Umsetzung ihres Programms als zuständige Staatsministerin nicht mehr miterleben. Schließlich ist die CDU raus aus der Bundesregierung. Doch die Förderung der von einer Fachjury auszuwählenden Projekte soll frühestens im März 2022 starten. Auch dieser Termin wäre übrigens schon ein extra zu beantragender „vorzeitiger Maßnahmenbeginn“.
Im Kleingedruckten finden sich dann noch mehr Pferdefüße. Denn die Zahl der Projekte ist arg begrenzt. Laut BKM beträgt die „Mindestantragssumme“ 200.000 Euro, macht also maximal fünf Projekte. Da es keine Deckelung nach oben gibt, können es aber auch noch weniger werden. Wie sich mit solch insgesamt bescheidenen Summen beispielsweise ein nachhaltiges Programm für Journalist*innen im Exil oder langfristige Ausbildungsförderung finanzieren lassen sollen, bleibt schleierhaft.
Die ursprünglich geplante Presseförderung des Bundes sah mehr als bloß einen Tropfen auf dem heißen Stein vor. Hier waren immerhin 220 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre veranschlagt. Der Treppenwitz bei der Sache: Das Geld steht im Prinzip immer noch zur Verfügung. Bloß beantragen kann es keineR. Das für die Entwicklung der entsprechenden Förderrichtlinien und die Umsetzung zuständige Wirtschaftsministerium kam nicht zu Potte. Denn das von der alten Bundesregierung vollmundig verkündete Programm zur „digitalen Transformation des Verlagswesens“ hatte einen massiven Pferdefuß. Da wurde eine stattliche Summe bewilligt, bevor überhaupt klar war, was damit genau bezweckt war und wofür das Geld ausgegeben werden sollte.
Unüberwindbare Schwierigkeiten
Das Wirtschaftsministerium tat sich mit seinem schwarzen Peter extrem schwer und zog am Ende den Stecker. „Aus Sicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) haben sich in den zurückliegenden Wochen unüberwindbare Schwierigkeiten für eine Durchführung des geplanten Förderprogramms zur ‚Transformation des Verlagswesens‘ ergeben“, hatte schon im April 2021 Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger an die BDZV-Mitglieder geschrieben. Laut BMWi würden rechtliche Probleme „einer erfolgreichen und sinnvollen Umsetzung der Förderung“ im Wege stehen.
Das stimmte zwar ein bisschen, war aber trotzdem vorgeschoben. Denn schon die Grundlage des Programms war verkorkst. Da sollte eine wie auch immer geartete „digitale Transformation“ unterstützt werden, ohne dass digitale Medienangebote zum Zuge kamen. Denn das Förderprogramm konzentrierte sich rein auf das bestehende Verlagswesen, also klassische Zeitungen, Zeitschriften und auch Anzeigenblätter. Neue, digitale Angebote wie News-Blogs oder Onlinezeitungen ohne Printausgabe im Hintergrund waren explizit von der Förderung ausgeschlossen. Hiergegen hatten die Krautreporter mit einer Klage gedroht.
Den Todesstoß verpasste dem Ganzen aber der Bundesrechnungshof. Der äußerte gravierende Bedenken gegen eine Digitalförderung ohne Bedarfsprüfung im Einzelfall. Außerdem wäre für das Ganze ein Gesetz nötig gewesen und nicht bloß ein Beschluss im Haushaltsausschuss des Bundestags.
Digitale Transformation
Treffer, versenkt – zum Glück. Denn jenseits der Formfehler machte schon das ganze Unterfangen keinen Sinn. In der zuständigen Fachabteilung im BMWi war dann auch ganz offen von „Pudding an die Wand nageln“ die Rede. Denn was da in Umrissen vorgesehen war, hatte mit Journalismus nicht mal mehr am Rande zu tun. Die in einem „Konzeptpapier“ aus dem November 2020 aufgeführten möglichen Förderbereiche reichten von der „Hard- und Softwareausgaben (Ausstattung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit notwendigen digitalen Arbeitsmitteln, z. B. Virtual-Reality-Brillen;)“ bis zum Reichweiten-Zukauf bei Facebook oder dem Aufbau von Onlineshops für Bücher, Wein und vieles andere mehr.
Im Weg standen sich dabei natürlich in allererster Linie die Verlage selbst. Sie hatten ursprünglich eine reine Vertriebsförderung für ihre gedruckten Blätter gewollt. Jetzt sollte das kaum noch eine Rolle spielen. Die Förderung der „digitalen Transformation“ betrachteten sie dagegen als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten.
Grüne und FDP wirken kompetenter
Deutschland tut sich eben schwer mit Presseförderung. Dabei könnte eine Lösung recht einfach sein. Die Krautreporter schlagen beispielsweise ein schon in den USA funktionierendes Modell vor, das die Nachfrage nach journalistischen Inhalten gezielt belohnt und fördert. Hierbei könnte der Staat die Erlöse aus Onlineabos aufstocken. Entsprechende „Zuschläge“ sollten zeitlich gestaffelt sein – beispielsweise von 50 Prozent im ersten Jahr über 30 Prozent im zweiten bis auf 20 Prozent im dritten abschmelzen. „Die Logik – ähnlich wie beim Ökostrom – wäre: Es geht nicht um eine Subvention auf Dauer, wer dabei sein will, muss sich beeilen“, sagt Crowdreporter-Gründer Sebastian Esser. Und wer keinen Erfolg hat, wird auch nicht künstlich am Leben gehalten. So ein Modell würde neue Onlineangebote genauso wie schon bestehende unterstützen und so auch die traditionellen Medien für ihre digitalen Erfolge belohnen. In den USA heißt das Ganze NewsMatch, wobei hier allerdings nicht der Staat, sondern Spenden und Stiftungen die Aufstockung der Abo-Erlöse finanzieren.
Wie es in Deutschland mit der Presseförderung weitergeht, wird eine neue Bundesregierung entscheiden. BDZV-Präsident Döpfner hatte auf dem Verbandskongress vor vier Wochen bereits angekündigt, sofort nach deren Bildung umgehend wieder auf der Matte zu stehen. Grüne und FDP sind hier zum Glück auch etwas sachkundiger als viele der bisherigen Großkoalitionäre. Beide Parteien sind zudem nicht abgeneigt, endlich auch in Deutschland gemeinnützigen Journalismus zuzulassen. Es bleibt trotzdem spannend, welche Pläne eine neue Regierung sich einfallen lassen wird.
Bis es so weit ist, gibt es ja immerhin das Grütters-Programm. Die Antragsfrist endet am 5. Januar 2022.
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