Flussrettung in Slowenien: Hilferuf für das blaue Herz Europas
Die Save, einer der letzten naturbelassenen Flüsse des Balkan, soll künftig auch Energie liefern. Dadurch werden diverse Tierarten bedroht.
Brad Pitt. Das wär’s.
„Wenn Brad Pitt herkäme, würde das helfen“, sagt Neza Posnjak. Als Pitt 1992 in Robert Redfords Film „In der Mitte entspringt ein Fluss“ einen Fliegenfischer spielte, bescherte das dem Drehort im US-Bundesstaat Montana jede Menge öffentliches Interesse und einen anhaltenden Schub an Touristen.
Posnjak hat Umwelttechnik und Tourismus studiert und leitet die Kampagne „Rettet das blaue Herz Europas“ in Slowenien, die sich für die Erhaltung der letzten naturbelassenen Flüsse in der Region einsetzt. Für die Save etwa, den längsten Zufluss der Donau. Hier lebt eine der letzten Populationen des Huchen. Der bis zu 1,80 Meter lange Lachsfisch ist einer der größten Süßwasserräuber des Kontinents und steht bei der Weltnaturschutzunion IUCN auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.
Für Fachleute spielt der Huchen eine ähnliche Rolle wie der Tiger in asiatischen Naturgebieten: Sein Vorkommen zeigt an, wie es um das Ökosystem bestellt ist. Überlebt er, profitieren auch andere, zum Teil noch sensiblere Arten. „Wenn man den Huchen schützt, schützt man das ganze System“, sagt Steven Weiss, Professor am Zoologischen Institut der Universität Graz.
Der Huchen könnte also ein starkes Symbol dafür sein, dass die Save möglichst ursprünglich erhalten werden muss. Dass Posnjak sich noch Brad Pitt dazuwünschen muss, zeigt, wie stark der Gegendruck ist. Das bestätigt auch Tibor Mikuska von der Kroatischen Gesellschaft für Vogel- und Naturschutz, der etliche Kilometer flussabwärts in Zagreb lebt. Einen Tiger kann er nicht als Argument dafür vorweisen, dass der Fluss seinen natürlichen Verlauf behalten muss.
Eine Kette von Wasserkraftwerken
Dafür dessen Bedeutung als natürlicher Schutz gegen Fluten. Beim Jahrhunderthochwasser im Frühjahr 2014, als es an der unteren – begradigten – Save in Serbien und Bosnien zu Dutzenden Todesfällen kam, blieb die Gegend um Zagreb und auch südlich im Nationalpark Lonjsko Polje von Verwüstungen verschont, weil die natürlichen Überschwemmungsgebiete dem Fluss die Kraft nahmen.
Die Regierungen in Ljubljana und Zagreb interessieren allerdings weder der Tiger der Save noch der natürliche Hochwasserschutz, sie wollen den Fluss als Energiequelle nutzen. Slowenien und Kroatien gehören nicht gerade zu den reichsten Ländern Europas. Zugleich haben sie sich im Rahmen ihrer EU-Mitgliedschaft verpflichtet, den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent anzuheben. Der Fluss gibt ihnen die Möglichkeit, alles zu verbinden – und dabei auch auf Fördergelder der Europäischen Investitionsbank (EIB) zurückzugreifen.
Die Vision: eine Kette von Wasserkraftwerken am oberen und mittleren Flusslauf, deren Bau allein schon die Wirtschaft ankurbelt. Im besten Fall mit bis zu zwei Milliarden Euro an Investitionen. Plus Gelder für den Ausbau der Infrastruktur, Rückhaltebecken etwa oder Straßenverlegungen.
Einer, der an diese Vision glaubt, ist Dubravko Ponos. Er leitet das Programm „Zagreb an der Save“, hinter dem sieben Ministerien, diverse Stadt- und Landkreise sowie Energie- und Wasserwirtschaft stecken. Offiziell geht es darum, den „Fluss zu schützen, zu entwickeln und zu nutzen“. Die Reihenfolge der Prioritäten ist allerdings genau andersherum. „Investoren finden wir nur für die Wasserkraftwerke“, sagt Ponos in seinem Büro in Zagreb. Er will an der Save drei größere und vier kleinere Turbinenanlagen errichten lassen, ein Kanal soll mögliche Hochwasser um die Stadt herum bis in das Flüsschen Odra leiten. Nicht zuletzt würde er die Save gern zu einer Schifffahrtsstraße auch für größere Frachter ausbauen. Dazu wiederum benötigt man mindestens zwei Häfen.
Dämme als Kontrolle
Ein gigantisches Umbauprojekt also, das die Strukturen rund um Zagreb entscheidend verändern würde. 1,4 Milliarden Euro soll das Ganze kosten, rechnet der Manager. So richtig voran kommt das Programm allerdings nicht, obwohl die EIB wohl mit Krediten aushelfen würde. Mikuska und Posnjak würden gerne glauben, dass das an ihrer Kritik liegt. Ponos verweist jedoch auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Und darauf, dass er sich nicht von ökologischen Bedenken ausbremsen lassen will.
Dabei könnten die slowenischen Erfahrungen eine Warnung sein – auch wenn von geplanten 13 Anlagen, die bis 2035 an der Save entstehen sollen, erst eine in Krsko in Betrieb ist. Und bei Brežice gerade der Fluss für die zweite ausgebaggert wird. Ein gewaltiger Berg aus Kies lagert nun neben der Baustelle, den Fischen mangelt es im ausgeräumten Flussbett an Schlupfwinkeln, Laichplätzen und Jagdrevieren. Weiter oben Richtung Krsko hat sich die Save bereits über ganze Abschnitte in seeartige Bereiche verwandelt, deren Boden verschlammt. Dass der Prozess für die dritte Anlage in Mokrice erst im November gestoppt wurde, hat laut Posnjak zum Teil auch damit zu tun: „Investor und Regierung sind sich bewusst, dass wir sie sehr genau beobachten und jeden Fehler anprangern werden“, sagt sie. „Deshalb nehmen sie sich lieber etwas mehr Zeit.“
In Zagreb ist das so noch nicht angekommen. Obwohl die Auswirkungen der beiden Kraftwerke bis hier zu spüren sind. Denn die Save ist auch hier schneller und tiefer geworden. Das verstärke die Gefahr von Hochwassern, sagt Mikuska. Projektleiter Ponos glaubt jedoch das Gegenteil: „Überschwemmungen gibt es nur, solange der Fluss wie eine Autobahn ist. Wenn wir ihn mit Dämmen langsamer machen, können wir alles kontrollieren“, sagt er. Und wenn man das Fließtempo kontrolliere, könne es auch keine Erosion des Flussbettes geben. Die Umweltschützer halten das für falsch, ebenso wie die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung. „Die basiert auf völlig falschen Daten“, sagt Mikuska.
Seine Organisation hat gemeinsam mit Experten aus Österreich und Deutschland einen Plan zur Rettung der Save erarbeitet. Alle Wasserkraft-Pläne sollen dafür beerdigt und der ausgebaggerte Schotter wieder in den Fluss geschüttet werden. Dann bekäme die Save ihre natürliche Geschwindigkeit wieder, ihre Auen könnten wieder wie seit Jahrhunderten genutzt werden – mit einer an Überschwemmungen angepassten Landwirtschaft, dem Bau flexibler und schnell trocknender Holzhäuser auf Hügeln und alten Tierrassen.
Hierfür gibt es erst recht kein Geld. Helfen könnte allerdings, dass die EU-Kommission bereits angedroht hat, Vertragsverletzungsverfahren gegen Slowenien und Kroatien einzuleiten, weil beide Länder die europäische Naturschutzrichtlinie Natura 2000 nicht einhalten. Passiert nichts, wollen die Umweltschutzorganisationen im Frühjahr dort Klage einreichen.
Aber vielleicht kommt Brad Pitt ja vorher noch vorbei.
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