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Fluggesellschaft Air BerlinFakten vergeblich bestritten

Air Berlin zog nach einem taz-Bericht über unbesetzte Sitze am Notausgang vor Gericht – ohne Erfolg. Nun soll sich die Praxis ändern.

Die Plätze am Notausgang müssen wohl auch bald bei Air Berlin besetzt werden Foto: dpa

Berlin taz | Von besonders viel Einsicht zeugte die Reaktion nicht: Im August hatte die taz über die Praxis von Air Berlin berichtet, Sitzplätze am Notausgang leer zu lassen. Diese bleiben unbesetzt, wenn kein Passagier bereit ist, den Aufpreis zu bezahlen, den die Fluggesellschaft für diese Plätze wegen der größeren Beinfreiheit verlangt. Das zuständige Luftfahrtbundesamt (LBA) und ein renommierter Luftfahrtexperte hielten die Praxis aus Sicherheitsgründen für bedenklich, weil der Notausgang dadurch bei Bedarf nicht unverzüglich geöffnet werden kann.

Trotzdem änderte Air Berlin nach dem Bericht nicht etwa die fragwürdige Praxis – etwa indem wie bei anderen Flug­linien Passagiere vor Beginn des Flugs umgesetzt werden, wenn die Plätze am Notausgang nicht verkauft worden sind. Stattdessen zog das Unternehmen im September gegen die taz vor Gericht und verlangte, die Vorwürfe zu unterlassen.

In der Begründung behauptete das Unternehmen, das LBA habe die Praxis überhaupt nicht kritisiert. Wenige Tage später fiel dem Unternehmen dann offenbar auf, dass es aussichtslos war, die Fakten zu bestreiten – schließlich hatte sich die Behörde gegenüber der taz schriftlich geäußert. Ohne weitere Angabe von Gründen nahm die von Air Berlin beauftrage Anwaltskanzlei den Antrag auf eine einstweilige Verfügung zurück. Nach einer Gegenklage der taz übernahm Air Berlin im November auch die kompletten Kosten des Rechtsstreits.

In der Sache bewegte sich die Airline jedoch immer noch nicht. Noch Ende November erklärte Unternehmenssprecherin Janine Mollenhauer auf taz-Anfrage erneut, Air Berlin lägen seitens des Luftfahrtbundesamtes „keine Aussagen vor, wonach hinsichtlich unserer Praxis der Sitzplatzvergabe an Notausgängen Sicherheitsbedenken bestehen“. Die Aussagen des Amts gegenüber der taz, dass sich die Forderung nach besetzten Notausgängen aus den Bauvorschriften ergebe, beeindruckte Air Berlin offenbar nicht.

Luftfahrtbundesamt wiederholt Forderung in Rundschreiben

Doch auf Dauer wird das Unternehmen die Kritik des Luftfahrtbundesamts nicht ignorieren können. Denn inzwischen hat die Behörde ihre Forderung in einem offiziellen Rundschreiben an alle Luftfahrtunternehmen wiederholt und konkretisiert. Es sei „unerlässlich, dass alle vorhandenen Notausgänge/Notausstiege durch geeignete eingewiesene Personen besetzt sind“, heißt es darin unmissverständlich.

Das könnten entweder Flugbegleiter oder Passagiere sein. Die Besetzung der Notausgänge sei „vor jedem Flug sicherzustellen“, schreibt das Amt. Ein Verfahren dafür müsse, „falls nicht bereits geschehen“, im Betriebshandbuch beschrieben und dem Luftfahrtbundesamt vorgelegt werden.

Das Luftfahrtbundesamt hält die Praxis aus Sicherheitsgründen für bedenklich

Ob die finanziell angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin dieser sicherheitsrelevanten Vorgabe nun nachkommt oder auch dagegen mit rechtlichen Schritten vorgeht, ist offen. Eine „umfassende rechtliche Bewertung des LBA-Rundschreibens sowie der zugrunde liegenden Rechtsvorschriften und gegebenenfalls auch die Prüfung entsprechender operativer Maßnahmen“ sei „noch nicht abgeschlossen“, teilte Air Berlin auf taz-Anfrage mit.

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1 Kommentar

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  • Bei allen Fluggesellschaften findet man immer wieder leere Plätze in den teuren Reihen und dichtes Gedrängel auf den billigen Plätzen. Umgesetzt wird nur sehr selten und widerwillig. Da muss schon viel passieren (Beschweren allein reicht nicht!).

    Aus Sicht der Fluggesellschaft ist das zwar verständlich. Es würde ja kaum jemand einen teuren Sitz buchen, wenn der auch ohne Aufpreis durch Nörgeln zu kriegen wäre.

     

    Wobei aber in Airberlin-Fliegern der Platz schon arg knapp ist; für etwas großrahmigere Menschen ist ein Sitz am Gang oder wenigstens am Notausgang die einzige Möglichkeit, wenigstens ein bißchen Kniefreiheit zu haben, was aber immer noch unbequem genug ist.

    Andere Sitze gibt es gar nicht, außer vielleicht in der Premium-Klasse. Alle Economy-Reisenden müssen eingeklemmt den Flug verbringen, mit dem Kopf des Vordermanns über dem Schoß.

     

    Das sollte unbedingt nachgebessert werden. Dann kann man auch wieder mit Airberlin fliegen. Konkurrent Eurowings macht es besser: für einen relativ geringen Aufpreis kann man einen Sitz mit mehr Beinfreiheit buchen, der diesen Namen auch verdient. (Die ganz günstigen Sitze sind dafür sogar noch enger als bei Airberlin).