Flüchtlingsunterkunft in Hellerdorf: Protest gegen NPD-Aufmarsch
Seit Tagen stehen sich Gegner und Unterstützer des Flüchtlingsheims in Berlin-Hellersdorf gegenüber. Jetzt erreichen die Proteste das Berliner Abgeordnetenhaus.
BERLIN dpa | Nach den tagelangen Protesten von Rechten gegen das Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf soll sich nun auch das Abgeordnetenhaus mit der Lage der Asylsuchenden befassen. Linke und Grüne wollen an diesem Montag im Innenausschuss das Thema auf die Tagesordnung setzen. Am Samstag hatten erneut rund 150 NPD-Anhänger in der Nähe der Unterkunft demonstriert, rund 700 Gegendemonstranten stellten sich den Rechtsradikalen entgegen.
In der Notunterkunft in Hellersdorf sollen insgesamt rund 200 Flüchtlinge untergebracht werden. Der Einzug der ersten rund 40 Menschen vor einer Woche wurde von Protesten begleitet. In den vergangenen Tagen hatten sich immer wieder Unterstützer und Gegner in der Nähe des Heimes für Flüchtlinge vor allem aus Syrien und Afghanistan versammelt. Vereinzelt kam es zu Ausschreitungen.
Bei den Demonstrationen am Samstag hielt die Polizei beide Seiten mit einem großen Aufgebot von rund 400 Beamten auf Distanz. Dennoch sei es rund um den Alice-Salomon-Platz zu Zwischenfällen zwischen Linken und Rechten gekommen, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Vier Beamte und ein Demonstrant seien leicht verletzt worden. Zehn Menschen wurden vorläufig festgenommen, unter anderem wegen Volksverhetzung. Gegen Abend beendeten die NPD-Anhänger ihre Kundgebung und zogen sich unter Polizeischutz zurück.
An dem Protest gegen die Rechten beteiligten sich auch die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und die Piraten-Politikerin Marina Weisband.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erinnerte angesichts der Proteste an die Ausschreitungen gegen Ausländer in Rostock-Lichtenhagen bis Hoyerswerda. „Da ist ein von Rechtsradikalen aufgehetzter Mob, der gegen die Anwesenheit der Flüchtlinge demonstriert“, sagte er dem Tagesspiegel. Trittin forderte die Bundesregierung auf, mehr als die angekündigten 5.000 syrischen Flüchtlinge aufzunehmen.
Der Berliner Senat rechnet bis zum Jahresende mit noch mehr Platzbedarf für die Unterbringung von Flüchtlingen in der Hauptstadt, in Hellersdorf wie auch in anderen Bezirken.
Die Stimmung in der Bevölkerung sei gegenüber Flüchtlingen weniger aufgeladen als noch in den 90er Jahren, als Zehntausende vor dem Jugoslawienkrieg nach Deutschland flüchteten, sagte der Politikwissenschaftler Bernd Ladwig, von der Freie Universität in Berlin. Anders als damals hätten jetzt auch alle etablierten Parteien in Berlin-Hellersdorf klar gemacht, dass die Flüchtlinge Respekt verdienten. „Das ist ein Fortschritt.“
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