Flüchtlingsunterkunft in Berlin: Zuflucht für Schwerkranke
In einer Unterkunft in Neukölln können nun pflegebedürftige Geflüchtete mit ihren Angehörigen leben. Der Bedarf wuchs mit dem Krieg in der Ukraine.
Die „Schwerpunktunterkunft“ befindet sich im vierten Stock einer großen Wohnanlage für Pflegebedürftige. Sie wird von der Johannesstift Diakonie (JSD) in Kooperation mit dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) betrieben und vom Land Berlin mit 500.000 Euro pro Jahr finanziert. Noch sieht es leer aus. JSD und LAF stellen dennoch stolz die neue Einrichtung vor. Es ist ein Pilotprojekt, das laut LAF einzigartig in Deutschland ist.
Pflegebedürftige und Angehörige unter einem Dach: Im Sunpark geht das, was in normalen Pflegeheimen nicht möglich ist. „Das Entscheidende ist die Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt LAF-Chef Mark Seibert. Es gibt 30 Plätze plus 30 Angehörige, diese sind inzwischen zur Hälfte belegt. Die jüngste Bedürftige sei 30, sagt Seibert, sie muss isoliert leben, die älteste ist 96 und mit ihrem Sohn hier.
Auch Nataliia Hryhorova lebt im Sunpark, zusammen mit ihrem 36-jährigen Sohn Dmytro. Sie selbst ist 70 und leidet unter anderem an einer Zerebralparese, einem Gehirnschaden. Sie ist von ihrer Krankheit gezeichnet, schaut aber aus wachen Augen neugierig in die Runde. Es gehe ihr gut, sagt sie. Sie habe sogar eine Freundin auf der Etage. Seit September leben Hryhorova und ihr Sohn in der Unterkunft, zuvor mussten sie ein halbes Jahr im Massenlager Tegel ausharren.
Pflegt seine Mutter seit 2006
Dmytro Hryhorov ist schüchtern und wirkt etwas nervös. Seine Mutter pflegt er bereits seit 2006. Über Tegel möchte er nichts Schlechtes sagen, aber dort musste er bei Problemen immer zu verschiedenen Ansprechpersonen gehen. „Hier gibt es immer Antworten auf die Fragen.“
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges sind Zehntausende Menschen aus der Ukraine nach Berlin geflüchtet, darunter viele Alte und Kranke. Im eilig eingerichteten „Ankunftszentrum“ in Tegel strandeten auch Menschen im Rollstuhl, nach einem Schlaganfall, mit einer Lungenerkrankung, mit seltenen Immunerkrankungen – ohne angemessene Versorgung.
Das LAF hat nach eigenen Angaben inzwischen 1.000 Menschen in Pflegeunterkünften untergebracht. In Tegel seien jetzt nur noch einzelne Pflegebedürftige, sagt Mark Seibert. Das sei ja auch schön und gut, heißt es gleichwohl vom Berliner Netzwerk für Flucht und Behinderung. Allerdings bräuchte jeder Berliner Bezirk eine bedarfsgerechte Unterkunft wie die in Neukölln. Das Netzwerk schätzt, dass allein im vergangenen Jahr 4.500 Geflüchtete mit einer Behinderung einen Antrag auf Asyl in der Stadt gestellt haben.
Der Sunpark ist immerhin ein Anfang. Hier gibt es eine Pflegehelferin, eine Übersetzerin, ein Büro mit Sozialarbeiterin, einmal pro Woche kommt ein Arzt. Für die Geflüchteten sei es kompliziert, weiß Palliativmedizinerin Karin Barnard: „Die Menschen kommen mit Sorgen in den Sunpark und haben große Hoffnung, zurück in die Ukraine kommen zu können.“
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