Flüchtlingsunterbringung in Berlin: Es wird eng in Tegel
Händeringend werden Unterkünfte für Geflüchtete gesucht. Nun müssen bis Jahresende auch noch die Terminals A und B in Tegel geräumt werden.
Seit Monaten verschärft sich die Krise bei der Unterbringung von Geflüchteten angesichts steigender Zahlen von Ukrainekriegsflüchtlingen und Asylbewerber*innen aus anderen Ländern. Anfang Oktober hatte Kipping daher erklärt, man werde es sich nicht leisten können, auf die rund 1.900 Plätze in den Terminals A und B zu verzichten – und sie wolle im Senat auf einen Beschluss hinwirken, dass deren Nutzung verlängert wird.
Den gibt es bis heute nicht – und wird es wohl auch nicht mehr geben. „Bisher gibt es keine geeinte Beschlusslage des Senats zur weiteren Nutzung des Ukraine Ankunftszentrums Tegel“, sagte Kippings Sprecher Stefan Strauss am Donnerstag auf taz-Anfrage.
Ab Januar soll vertragsgemäß der Umbau der beiden Terminals für die Berliner Hochschule für Technik (BHT) beginnen. „Dieses seit vielen Jahren in Planung befindliche Projekt ist nicht nur für die Entwicklung der BHT und weiterer 2.000 Studienplätze von herausragender Bedeutung, sondern auch für die Stadtentwicklung im Nordwesten Berlins, das heißt: neue Arbeitsplätze und Wohnungen“, erklärte eine Sprecherin der Wissenschaftsverwaltung.
Da aber auch die Geflüchteten Unterkünfte brauchen, so die Sprecherin, werde die Senatsverwaltung für Wissenschaft bei Hochschulen und Krankenhäusern nach Flächen und Grundstücken für Unterkünfte suchen, „einige Hochschulen haben bereits Flächen übermittelt“.
Reguläre Unterkünfte zu mehr als 99 Prozent belegt
Denn der Druck, neue Unterkünfte zu schaffen, nimmt weiter zu. Aktuell sind laut Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) die eigenen knapp 30.000 Plätze in „regulären Unterkünften“ zu 99,3 Prozent belegt. Dazu kommen rund 2.500 Personen im Ankunftszentrum Reinickendorf, die auf einen Platz in einer regulären Unterkunft waren, plus rund 3.500 Menschen im Ankunftszentrum Tegel, Asylbewerber*innen und Ukrainer*innen.
Das ist jetzt schon „voll“. Dort leben die meisten Menschen in den Terminals A und B, dort gibt es rund 1.900 Plätze. In Terminal C ist Platz für rund 800 Menschen, dazu kommen zwei Leichtbauhallen, das sind feste Zelte mit Boden und Heizung, für je 400 Menschen.
Aber wo sollen die Menschen hin, wenn die Terminals A und B schließen müssen? Zumal derzeit jeden Tag laut LAF etwa 200 Geflüchtete allein aus der Ukraine dazukommen plus monatlich rund 1.000 Asylsuchende, die nach Berlin verteilt werden.
Das LAF prüft und eröffnet derzeit quasi im Wochentakt neue Unterkünfte, Anfang Dezember etwa eine Gemeinschaftsunterkunft in der Haarlemer Straße in Neukölln (400 Plätze) und ein Hostel in Mitte (500 Plätze). Doch bei den Zugangszahlen reicht dies nicht, daher ist nun auch die Wiederbelebung des ICC im Gespräch. Dies werde aktuell geprüft, bestätigt LAF-Sprecher Sascha Langenbach der taz. Das ICC war bereits in der Krise 2015/16 Notunterkunft – „allerdings hatten wir da nur 500 Plätze“, erinnert sich Langenbach.
Feste Zelte und Container sollen Abhilfe schaffen
Abhilfe schaffen sollen weitere Großprojekte: Rund 3.200 Plätze in Zelten respektive Leichtbauhallen sollen auf dem Rollfeld in Tegel entstehen, zudem Zelte auf zwei Parkplätzen am ehemaligen Flughafen Tempelhof aufgebaut werden. Allerdings gibt es laut Langenbach derzeit Schwierigkeiten, überhaupt genug Leute zu bekommen, die die Zelte aufbauen.
Sascha Langenbach, Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten
Noch vor Weihnachten sollen zudem Container in den Hangars 2 und 3 in Tempelhof aufgebaut werden. Das sei immerhin besser als die Trennwände, die man 2015/16 dort hatte, so Langenbach. „Jetzt kann man immerhin sein eigenes Licht an- und ausmachen.“
Fest steht: Je kälter der Winter und je mehr Flüchtlinge kommen, desto schlechter werden die Unterkünfte, die Berlin ihnen bieten kann. Auch Langenbach weiß: „Das wird eine riesige Herausforderung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands