Flüchtlingspolitik in Ungarn: Orbán macht dicht
Die Ankündigung Ungarns, einen Zaun an der Grenze zu Serbien zu errichten, löst in Belgrad Empörung aus. Ein bilateraler Gipfel ist geplant.
„Ausgerechnet Ungarn“, meint dagegen die regierungskritische Zeitung Nepszabadsag. Und erinnert daran, dass es die Ungarn waren, die entscheidend zur Zerstörung des Eisernen Vorhangs beigetragen hatten. „Damals hatten wir ihn als Erste abgerissen, jetzt ziehen wir den neuen hoch. (…) Der Vorhang von vor 26 Jahren schnitt uns vom Westen ab, mit dem neuen werden wir andere vom Westen abschneiden.“
Budapests Entscheidung scheint jedoch unumstößlich zu sein. „Die Regierung hat Innenminister Sandor Pinter angewiesen, bis zum kommenden Mittwoch die Abriegelung der ungarisch-serbischen Grenze vorzubereiten“, erklärte Außenminister Peter Szijjarto.
Premier Viktor Orbán hatte die Partner in der EU schon seit Monaten gewarnt. Ungarn könne Flüchtlinge, die über die Grenze von Serbien ins Land kämen, nicht aufnehmen. Arbeitsplätze für Ungarn gingen vor, erklärte er, nur 10 Prozent der Ankömmlinge seien echte Flüchtlinge, die anderen 90 Prozent lediglich Wirtschaftsflüchtlinge. Und die müssten mit allen Mitteln daran gehindert werden, ins Land zu kommen.
Zwar waren die meisten der 43.000 Flüchtlinge, die 2014 nach Ungarn kamen, gar nicht daran interessiert, zu bleiben, 80 Prozent fuhren weiter Richtung Westen. Ziel der Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Afghanistan und Kosovo ist vor allem Deutschland oder sind die skandinavischen Länder. Doch die Zahlen der Asylbewerber steigen, immerhin haben bis zum jetzigen Zeitpunkt insgesamt 45.000 Flüchtlinge um Asyl in Ungarn nachgesucht.
Durchgangsland Serbien
Mit der Ankündigung, einen Zaun an der Grenze zu Serbien zu bauen, hat Orbán sich nun auch mit den südlichen Nachbarn angelegt. Die Flüchtlinge sollten auf serbischem Gebiet angehalten werden, erklärte er. Serbien sieht sich nur als Durchgangsland und ist als Nicht-Schengenland und Nichtmitglied der EU gar nicht verpflichtet, Maßnamen gegen die Flüchtenden zu ergreifen. „Ich bin erstaunt und schockiert. Wir werden über die Entscheidung mit unseren ungarischen Kollegen sprechen“, sagte Ministerpräsident Aleksandar Vucic. „Die Lösung ist nicht, Mauern zu errichten. Serbien kann nicht für die Situation verantwortlich gemacht werden.“
Vucic verwies darauf, dass die Flüchtlinge aus den EU-Ländern Griechenland und Bulgarien kämen. Solle Serbien jetzt etwa Mauern an der Grenze zu Bulgarien errichten, fragte er rhetorisch. In den nächsten Tagen soll es einen serbisch-ungarischen Gipfel zur Migrantenfrage geben.
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