Flüchtlingspolitik der Kirchen: Gemeinden wollen offen bleiben
Innenminister de Maizière droht damit, das Kirchenasyl auszuhebeln. Die Kirchen beharren aber darauf, bedrohten Flüchtlingen Schutz zu gewähren.
BERLIN taz | Es sollte ein festlicher Tag werden, wie es sich für einen runden Geburtstag gehört. Doch statt Glückwunsche gab es eine Kriegserklärung.
20 Jahre wurde die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG) im letzten September. Tausende Flüchtlinge hatten Gemeinden in dieser Zeit vor Verhaftung und Abschiebung gerettet. Sie nutzten dafür den Respekt, den der Staat – freiwillig – gegenüber sakralen Räumen wahrt. Wenn es nach Bundesinnenminister Thomas de Maizière geht, soll es so nicht weitergehen. Er lehne das Kirchenasyl „prinzipiell und fundamental“ ab, hatte der kürzlich erklärt und die Praxis gar mit der Scharia verglichen, auch wenn er dies inzwischen zurückgenommen hat. Doch in der Sache wolle er „hart bleiben“.
Die böse Nachricht überbrachte ausgerechnet ein Geburtstagsgast: Ursula Gräfin Praschma, Abteilungsleiterin im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Auf der Konferenz, die die BAG zu ihrem Jubiläum in Frankfurt ausgerichtet hatte, verkündete sie, wie ihre Behörde das Kirchenasyl aushebeln will: Die meisten Flüchtlinge im Kirchenasyl dürfen in Deutschland zunächst keinen Asylantrag stellen, weil sie über einen anderen Staat in die EU eingereist sind.
In vielen dieser Staaten gibt es aber statt Asyl nur Obdachlosigkeit, Gefängnis oder weitere Abschiebungen. Trotzdem sollen sie dorthin zurück – so will es die sogenannte Dublin-III-Richtlinie der EU. Das Bundesamt will die Flüchtlinge in der Kirche jetzt so behandeln, als ob sie untergetaucht seien. Dann dauert es nicht 6, sondern 18 Monate, bevor sie in Deutschland einen Asylantrag stellen können.
„Ich habe gedacht: Was soll das?“, sagt Dietlind Jochims. Sie wurde auf der Tagung zur neuen Vorsitzenden der BAG gewählt. Mittlerweile ist ihr das klar: Das Bundesamt will das Kirchenasyl so weit erschweren, dass den Gemeinden die Lust an der Solidarität vergeht – es sei denn, diese verzichten von sich aus darauf, Flüchtlinge dem Zugriff der Polizei zu entziehen.
„Unzumutbare Härten“
Im Januar trafen Kirchenvertreter und BAMF erstmals in der Sache zusammen. „Das Bundesamt hat uns vorgeworfen, es seien zu viele, die Kirchen würden das Kirchenasyl zur systematischen Unterwanderung des Dublin-Systems benutzen.“ Das weist sie zurück. „Wir machen das nicht, weil wir so viel Spaß daran haben, sondern weil uns Menschen begegnen, die von unzumutbaren Härten bedroht sind. Wenn der Staat das nicht will, soll er seine Arbeit besser machen und diesen Menschen Schutz gewähren.“
Am Dienstag kamen die Bevollmächtigte der beiden christlichen Kirchen und der Präsident des BAMF, Manfred Schmidt, erneut zusammen. Der katholische Prälat Karl Jüsten sprach danach von einem „sehr guten und konstruktiven Gespräch“. Man habe vereinbart, die Praxis des Kirchenasyls „nochmals zu begutachten“. Was das genau heißt, darüber soll bis Freitag Stillschweigen bewahrt werden. Dass de Maizière die Kirchen zum Einknicken bewegen konnte, war zuletzt immer unwahrscheinlicher geworden.
Zu stark war die Kritik nach seinem Scharia-Vergleich geworden – auch aus der Union: „Ich würde diese beiden Dinge nicht miteinander vergleichen“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Ähnlich die Adenauer-Stiftung: Das Kirchenasyl eigne sich als Akt christlicher Barmherzigkeit, nicht als „Medium der politischen Auseinandersetzung“, heißt es in einem Papier der Stiftung.
Im Laufe der Debatte hatte das BAMF den Kirchen offenbar angeboten, eine Art Clearing-Stelle einzurichten, damit Härtefälle gar nicht erst ins Kirchenasyl müssen. Die könnte nun kommen. „Ziel ist, etwas Ähnliches zu initiieren wie eine Härtefallkommission“, sagte Bischof Norbert Trelle bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am Mittwoch in Hildesheim. Ob das BAMF dennoch den Plan aufgibt, die Asylfälle zu behandeln, als seien sie untergetaucht, war am Mittwoch weder beim BAMF noch bei den Kirchen zu erfahren.
„Für die Härtefälle muss es irgendeine Art von Regelung geben“, sagt die BAG-Vorsitzende Jochims. Doch eine solche Regelung mit einem Verzicht auf Kirchenasyle zu erkaufen, schließe sie aus. „In der evangelischen Kirche funktioniert das auch gar nicht. Jede Entscheidung einer Kirchengemeinde über ein Kirchenasyl ist autonom und dem eigenen Gewissen unterworfen.“
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