piwik no script img

FlüchtlingskriseHenkel gibt den Seehofer

Mit der geplanten Asylrechtsverschärfung würden in Berlin rund 8.000 Menschen obdachlos, sagt der Flüchtlingsrat. Der Innensenator begrüßt die Pläne.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) schiebt schon jetzt viele Flüchtlinge ab - und möchte gerne noch mehr.

Von der aktuell debattierten Verschärfung des bundesdeutschen Asylrechts wären in Berlin nach Schätzungen des Flüchtlingsrats rund 8.000 Menschen betroffen. Laut dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung sollen Geduldete, die bei ihrer Abschiebung angeblich nicht ausreichend mitwirken, sowie Asylbewerber, die zuerst in anderen EU-Staaten registriert wurden, keine Leistungen mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten – nur noch Reiseproviant und eine Fahrkarte. Die Organisation Pro Asyl kritisierte, dass damit zehntausende Flüchtlinge obdachlos gemacht werden, da für sie die Rückkehr nach Ungarn, Italien oder Bulgarien bei den dortigen Zuständen keine Option ist. „Das ist der zynische Beitrag der deutschen Innenminister zur Willkommenskultur“, sagte Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat am Freitag der taz.

Innensenator Frank Henkel (CDU) begrüßte dagegen die geplante Gesetzesverschärfung. „Wir werden die Situation nur bewältigen können, wenn die Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber auch konsequent durchgesetzt wird“, sagte Henkel. Jeder Mensch habe Anspruch auf ein faires Asylverfahren. „Wer jedoch abgelehnt worden ist, muss in seine Heimat zurückkehren.“ Was genau Henkel damit meint, konnte die Innenverwaltung am Freitag nicht sagen. Für Classen vom Berliner Flüchtlingsrat sind die Einlassungen des Innensenators schlicht eine Nebelkerze. „Natürlich ist es jetzt schon so, dass abgelehnte Asylbewerber ausreisen müssen oder abgeschoben werden – wenn es denn geht.“

Bei vielen Abgelehnten geht es aber nicht. Sie bekommen daher im Anschluss ans Asylverfahren eine Duldung, etwa, weil sie krank sind, Kinder bekommen haben oder keinen Reisepass besitzen. Letzteres betrifft etwa die Hälfte aller Geduldeten, schätzt Classen, in Berlin seien das aktuell rund 5.000 Menschen. „Ihnen wird häufig unterstellt, sie wollten sich die für die Ausreise nötigen Papiere nicht bei ihrer Botschaft besorgen“, sagt der Flüchtlingsexperte.

Hier und weg

Seit Amtsantritt von Innensenator Frank Henkel (CDU) 2011 hat sich die Zahl der Abschiebungen abgelehnter AsylbewerberInnen von 109 (2010) auf 417 (2014) fast vervierfacht. Die meisten Abschiebungen gehen nach Serbien, Bosnien und Kosovo. Bundesweit steht Mazedonien auf Platz 2, Afghanistan an vierter Stelle. Berlin schob in den vergangenen fünf Jahren nur vier Abgelehnte nach Afghanistan ab.

Von 4.058 abgelehnten AsylbewerberInnen blieben im vergangenen Jahr 2.160 in Berlin, etwa wegen einer Krankheit oder fehlender Papiere. Die übrigen 46 Prozent wurden entweder abgeschoben oder verließen das Land freiwillig. Damit liegt Berlin bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht bundesweit an dritter Stelle hinter Sachsen-Anhalt und Bayern. Insgesamt kommen etwa 30 Prozent der Flüchtlinge in Berlin aktuell aus Syrien, um 16 Prozent jeweils aus Serbien, Albanien und Kosovo.

Mit dem neuen Gesetz werde versucht, diese Gruppe „mittellos zu stellen, um sie außer Landes zu treiben“, kritisierte Pro Asyl. Betroffen sind aber auch Asylbewerber, die in anderen EU-Staaten registriert wurden. Der Flüchtlingsrat schätzt ihre Zahl für Berlin auf etwa 3.000. Vor kurzem hatte die Bundesregierung erklärt, Syrer, auf die das zutrifft, nicht mehr zurückzuschicken. Das gelte offenbar nicht mehr, so Pro Asyl. „Auch jene Flüchtlinge, die die Bundesregierung zuvor nach Deutschland einreisen ließ und die hier von der Bevölkerung an den Bahnhöfen willkommen geheißen wurden, werden sehenden Auges in Obdachlosigkeit und soziale Entrechtung geschickt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Weiß ja nicht wie so Boofkes heute

    In Balin heißen - wa¿!

     

    Op joot kölsch -

    Sackjesechte - gern auch

    Fellfressen;)