Flüchtlingsfrage auf der SiKo: Wohin mit den Schiffbrüchigen?
Die Bundesregierung will Flüchtlinge aus der Ägäis zurück in die Türkei bringen. Dass die Türkei sie aufnimmt, steht aber nicht fest.
![Viele Menschen sitzen auf dem Deck eines Schiffes. Viele Menschen sitzen auf dem Deck eines Schiffes.](https://taz.de/picture/997672/14/FluechtlingeaufBundeswehrschiff.jpeg)
Es ist eine Aussage mit Sprengkraft. Denn da Schiffe der griechischen Küstenwache nicht die türkische Küste anlaufen dürfen, würde vom jeweiligen Hoheitsgewässer abhängen, an welches Ufer es ein von der Nato in Seenot identifizierter Flüchtling schafft. Das allerdings widerspricht der Darstellung der Bundesregierung. Doch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), der neben Çavuşoğlu sitzt, erhebt keinen Widerspruch.
Dafür behauptet Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) später im ZDF-“heute journal“, Ankara habe bei den Verhandlungen am vergangenen Mittwoch „sofort eingewilligt“, dass „alle“ aus der Türkei kommenden Flüchtlinge, die aufgenommen werden, „wieder in die Türkei zurückgebracht werden“. Das sei „entscheidend“ und „ein klares Signal“ – nur: stimmt es auch?
Wessen Wort gilt, das der deutschen Verteidigungsministerin oder das des türkischen Außenministers, wird sich bald in der Praxis zeigen. Der bislang vor Zypern lagernde Nato-Marineverband SNMG2 ist bereits auf dem Weg von Zypern in die Ägäis. Er wird vom deutschen Versorgungsschiff „Bonn“ geführt und steht unter dem Kommando des deutschen Flottillenadmirals Jörg Klein.
Legale Einreise nicht in Sicht
Der Verband soll, so von der Leyen, „gemeinsam mit Frontex die griechischen und türkischen Küstenschutzverbände in ihrem Kampf gegen das Schleuserunwesen“ unterstützen. Vor allem soll er jedoch der Flüchtlingsabwehr dienen. Denn zur Schleuserbekämpfung gäbe es ein weit wirksameres Mittel: die Ermöglichung einer legalen und sicheren Einreise von Flüchtlinge in die EU - doch die ist nicht in Sicht.
Die Flüchtlingskrise ist das dominierende Thema des ersten Konferenztages im altmodischen Luxushotel Bayerischer Hof. Sie habe eine wirtschaftliche, eine geopolitische, eine humanitäre, eine soziale, eine nationale, eine geostrategische und eine sicherheitspolitische Dimension, sagte der bereits oben erwähnte Peter Altmaier. Doch dafür wurde die Debatte zu unterkomplex geführt. Was möglicherweise auch an der Auswahl der Diskutanten lag. So ist die griechische Syriza-Regierung überhaupt nicht auf der Konferenz vertreten.
In zahlreichen Beiträgen wurde die Menschenrechte und die Humanität beschworen. Doch das wirkte zumeist schal und zynisch. Ein Musterbeispiel dafür lieferte ausgerechnet Altmaier. „Wann immer das Leben von Menschen gefährdet ist, dann müssen wir unseren europäischen und humanitären Verpflichtungen nachkommen und müssen sie retten“, sagte er – um dann direkt einschränkend hinzuzufügen: „Das schließt aber nicht aus, dass wir sie vielleicht in ein anderes Land zurückschicken, woher sie kommen, wenn dieses Land sicher ist und wenn sie dort anständig behandelt werden.“
Lob für die Türkei
Welches Land er damit insbesondere meint, auch daran ließ er keinen Zweifel. Über den grünen Klee lobte er die Türkei. Die habe sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen nicht nur „so verhalten, dass sie sich mehr den humanitären Werten und den Werten der internationalen Staatengemeinschaft verpflichtet sieht als viele andere Staaten außerhalb dieses Bürgerkriegsgebiets“. Er sei zudem der Überzeugung, „dass die Türkei zumindest für Flüchtlinge ein sicherer Staat ist“.
Zumindest für Flüchtlinge? Die Einschränkung hat einen guten Grund. Denn so brauchte Altmaier mit keinem Wort mehr das brutale militärische Vorgehen der türkischen Armee in den kurdischen Gebieten und die desolate Menschenrechtssituation in dem Land am Bosporus thematisieren. Das wäre ja auch störend.
Mit einem gewissen Bedauern in der Stimme konstatierte Italiens Außenminister Paolo Gentiloni, dass mit einem solchen Taschenspielertrick den Problemen der römischen Regierung nicht beizukommen ist. Denn die Flüchtlinge, die in Italien landen, kommen zu einem Großteil aus Libyen. Und dieses Land sei „ganz sicher kein sicheres Land“, sagte Gentiloni.
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