Flüchtlingselend an EU-Grenze: Berlin blickt auf Bosnien
Der Flüchtlingsrat fordert vom Senat ein Aufnahmeprogramm für in Bosnien gestrandete Geflüchtete. Die Zustände dort seien schlimmer als in Moria.
Da Bosnien nicht in der EU sei, könne Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ein solches Programm auch nicht – wie voriges Jahr im Fall Griechenland – mit dem Argument ablehnen, laut der Dublin-Regeln sei man nicht zuständig. Sprecher Georg Classen: „Seit Jahren riegelt Kroatien mit Unterstützung der EU-Grenzschutzagentur Frontex die bosnische Grenze rigoros ab. Auch das BMI unterstützt die Maßnahmen.“
Infolge dieser Politik kampieren Tausende Geflüchtete weitgehend ungeschützt in den Wäldern Bosniens oder in Notlagern der Internationalen Organisation für Migration (IOM) nahe der Grenze. Eines dieser Lager, nahe dem Ort Lipa, war kurz vor Weihnachten abgebrannt. Dennoch harren dort nach taz-Berichten etwa 900 Menschen aus, die bosnische Armee soll das Lager nun winterfest machen. Mindestens 800 weitere sollen in Lipas Umland umherirren, darunter auch Kinder. In der Region herrscht derzeit strenger Winter.
In seinem Appell zitiert der Flüchtlingsrat den Bericht eines seiner Mitglieder. Die ausgebildete Krankenpflegerin war im November mit einer Hilfsorganisation ehrenamtlich im medizinischen Einsatz nahe der Grenzstadt Velika Kladuša. Die Lage dort sei schlimmer als in Moria, wo sie zuvor gewesen war. Viele Geflüchtete hätten infolge von Misshandlungen bei Pushbacks durch die kroatische Polizei Verletzungen erlitten, aber keinerlei Zugang zu medizinischer Versorgung. Seitens der bosnischen Behörden sei humanitäre Hilfe durch NGOs verboten.
Der Senat hatte im vorigen Jahr ein Aufnahmeprogramm für 300 Geflüchtete von den griechischen Inseln beschlossen, Seehofer verweigerte seine Zustimmung. Dagegen hat R2G vor Kurzem Klage erhoben. Auch einem Aufnahmeprogramm für Bosnien müsste Seehofer zustimmen, allerdings würde hier sein Hauptargument – die EU-Dublin-Regeln – nicht greifen.
In einer ersten Version des Textes hatte gestanden, das Mitglied des Flüchtlingsrates, das von der Situation in Bosnien berichtet hatte, sei Ärztin. Dies ist nicht korrekt, die Frau ist ausgebildete Krankenpflegerin. Wir bitten dies zu entschuldigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu