Flüchtlingsdebatte in der Union: Ultimatum mit was denn bloß
Horst Seehofer droht der Kanzlerin mit Konsequenzen, sollte die Zahl der Flüchtlinge nicht sinken. Doch sein Krawallpotenzial ist begrenzt.
Nun hat Seehofer der Bundesregierung am Dienstag ein Ultimatum gestellt: Bis zum Sonntag soll Angela Merkel die Zuwanderung von Flüchtlingen begrenzen.
Und was, wenn (wie jedem klar sein müsste) das nicht geht? Will Horst Seehofer dann die erschöpften Flüchtlingsfamilien an der Grenze zurück Richtung Syrien schicken? Will er einen Zaun zu Österreich errichten lassen? Wird er die Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern bis auf Weiteres schließen? Wohl kaum.
Ebenso unwahrscheinlich ist, dass Seehofer die Fraktionsgemeinschaft seiner CSU mit der CDU in Berlin aufkündigt oder von dort gar seine drei Bundesminister abzieht. Ein solch radikaler Schritt würde seine Abgeordneten, die stolzen Statthalter Bayerns in Berlin, zu parlamentarischen Statisten degradieren. Die kolportierte Kündigungsdrohung kanzelte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch gegenüber der taz denn auch als „Kasperletheater“ ab, das angesichts der ernsten Situation in Deutschland und Europa „einer Regionalpartei unangemessen“ sei.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeld
Die Begrenztheit der eigenen Möglichkeiten sich vergegenwärtigend, bemühten sich die Rivalen am Mittwoch erkennbar um Abrüstung. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt widersprach Spekulationen, dass ihre Partei im Streit über die Flüchtlingsfrage den Koalitionsbruch riskieren könnte. „Die CSU hat Regierungsverantwortung. Die nehmen wir wahr“, beruhigte sie ihre Abgeordneten. Weder die Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft noch der Abzug der CSU-Minister aus der Bundesregierung würden erwogen.
Angela Merkels Sprecher verwies auf ein klärendes Gespräch, das für Sonntag zwischen der Kanzlerin, Vizekanzler Sigmar Gabriel und Horst Seehofer verabredet ist. Das Treffen sei eine Gelegenheit, „auf die Sorgen der verschiedenen Partner einzugehen“, sagte Steffen Seibert. In der Regierung sei „ständige gegenseitige Information notwendig“. Das für das Wochenende geplante Spitzentreffen sei im übrigen Teil einer lange verabredeten Reihe von Beratungen zur Flüchtlingspolitik.
Und in München nahm schließlich selbst der eben noch so aufgebrachte Horst Seehofer einen Gang raus. „Ich hoffe, das löst sich alles auf am Wochenende“, sagte Seehofer am Rande einer Landtagssitzung in München. „Wir sind da ganz fest und hart in der Sache, aber ich möchte jetzt erst die Gespräche führen.“ Bei dem Spitzentreffen am Wochenende werde es am Samstag zuerst ein Gespräch zwischen ihm und der Bundeskanzlerin geben. Am Sonntag würden sich dann alle Parteichefs der Koalition abstimmen.
Im Bayerischen Landtag sagte Seehofer, er wünsche sich „nach wie vor das Gute, nämlich eine Verständigung über die Maßnahmen zur Begrenzung“. Einen Bild-Bericht, wonach er als „Ultima Ratio“ den Rückzug der CSU-Minister aus dem Bundeskabinett erwäge, dementierte er nicht. Er sagte nur, zu „einzelnen Spekulationen“ sage er nichts. „Wir sind auf alles vorbereitet, juristisch, politisch, prüfen dieses, jenes.“ Was aber letzten Endes zu machen sei, könne er erst nach den Gesprächen am Wochenende entscheiden.
Dass die Schwesterpartei CDU zwar nicht auf Krach aus ist, aber sehr wohl um ihre eigene Bedeutung weiß, kann man den Worten der stellvertretenden Parteivorsitzenden entnehmen. Die Art und Weise, wie Bayern die Flüchtlingssituation stemme, verdiene „großen Respekt“, sagte Julia Klöckner der taz. Sie verstehe „Horst Seehofers Frust“ über den unkoordinierten Ablauf von österreichischer Seite. Kein Land dürfe über Nacht und ohne Vorwarnung Tausende Flüchtlinge an die deutsche Grenze bringen, das sei selbst für die beste Verwaltung nicht zu schaffen.
„Ultimaten aber helfen uns nicht weiter“, sagte Klöckner. Sie verwies auf den „guten Weg“, den die Bundesregierung mit dem im Eiltempo verabschiedeten Asylbeschleunigungsgesetz beschritten habe. „Und für die EU gilt: Die Gemeinschaft ist kein Schönwetterverein und Solidarität ist keine Einbahnstraße.“ Mitgliedsländer, die sich aus dem Flüchtlingsthema ausklinkten, müssten die Folgen zu spüren bekommen. Noch so eine Drohung.
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