Flüchtlinge: Eine Arche für Henkel
O-Platz-Flüchtlinge wollen den Innensenator mit dem Bau eines Schiffes an ihre Existenz erinnern. Der evangelischen Kirche, die seit Monaten rund 100 Menschen versorgt, geht das Geld aus.
Wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, ist das Entsetzen groß – überleben sie die Flucht und schaffen es bis nach Berlin, will man sie so rasch es geht loswerden. Aus Protest gegen die Heuchelei vieler Politiker will der evangelische Kirchenkreis Berlin Stadtmitte zusammen mit Flüchtlingen vom Oranienplatz eine Arche bauen – direkt gegenüber dem Amtssitz von Innensenator Frank Henkel (CDU) in der Klosterstraße in Mitte. Das rund drei Meter lange Holzschiff soll //www.facebook.com/LampedusaBerlin?fref=ts:im Rahmen einer fünftägigen Mahnwache gebaut werden, die am heutigen Montagmorgen um sieben Uhr beginnt.
„Wir wollen Henkel vor Augen führen, dass die Leute immer noch da sind und darauf warten, dass er sich an das Einigungspapier hält“, sagt Marita Leßny. Die 61-Jährige ist eine von vielen BerlinerInnen, die seit September im Rahmen einer vom Kirchenkreis organisierten „Winterhilfe“ etwa 100 Oranienplatz-Leute unterbringen und versorgen. Viele dieser Flüchtlinge sind so genannte Lampedusas, Bootsflüchtlinge aus Afrika. Im Herbst hatten rund 60 von ihnen die Kreuzberger Thomaskirche besetzt, weil sie nach Abschluss ihres Verfahrens auf die Straße gesetzt worden waren. Die Henkel unterstehende Ausländerbehörde hatte im Zuge des „Einigungspapiers Oranienplatz“ 576 Anträge auf Aufenthalt geprüft – und bis auf drei alle abgelehnt. Kritiker, auch hohe Kirchenvertreter, erklärten darauf, Henkel habe sich nicht an die Vereinbarung mit den Flüchtlingen gehalten.
In Gesprächen mit dem Senat versucht die Kirche seitdem, eine Lösung zu finden – bislang ergebnislos. Bei einem Gipfeltreffen von Bischof Markus Dröge und dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) im März sagte Müller nur zu, für die Oranienplatz-Leute werde eine „juristisch akzeptable Lösung“ gesucht. Dies bedeute, hieß es auf Nachfrage, dass Henkels Innenverwaltung die Fälle der in kirchlicher Obhut lebenden Männer erneut prüfe – sobald eine Namensliste vorliege. Dies aber machen die kirchlichen Unterstützer nicht mit. Man werde keine Namenslisten herausgeben, so Leßny am Sonntag zur taz, „das ist ziviler Ungehorsam“. Henkel habe bereits alle Namen der am O-Platz-Verfahren Beteiligten. Kirche und Flüchtlinge fordern, dass der Senat den Betroffenen sofort Duldungen mit Arbeitserlaubnis gibt sowie eine „lösungsorientierte Prüfung der Einzelfälle“, wie es im Flugblatt zur Arche-Aktion heißt.
Der Kirche selbst geht bei der Winterhilfe langsam die Puste aus. Eine Gruppe von zehn Männern, die seit Monaten an wechselnden Orten untergebracht wird, darf zwar weiterhin im kirchlich finanzierten Kulturzentrum Gitschiner 15 wohnen, muss sich aber seit knapp zwei Wochen selbst versorgen. Unterstützt werden die Afrikaner von dem eigens gegründeten Verein help4people.de. Spenden aller Art würden gebraucht, so Vereinsgründer Matthias Tiez: „Es geht um das Allernötigste.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus