Flüchtlinge in Serbien und Kroatien: Der Kälte entkommen

Tausende Menschen drängen täglich von Serbien nach Kroatien. Dort werden sie mit dem Nötigsten versorgt und zügig nach Slowenien weitergeschickt.

Ein Kind schaut aus einem Zelt

Notunterkunft im kroatischen Opatovac. Foto: reuters

ŠID/OPATOVAC taz | Eisiger Wind weht über die Ebene von Šid, Regenschauer peitschen auf die Windschutzscheibe. Šid ist eine serbische Stadt an der Grenze zu Kroatien. Der Übergang Berkasovo befindet sich hier in der Nähe. Doch kein einziges Schild weist den Weg in der nächtlichen Dunkelheit. Doch der Mann in einer Wechselstube ist hilfreich und beschreibt ganz genau, welche verschlungenen Wege zu fahren sind, um endlich zu den Izbeglice, den Flüchtlingen, zu gelangen.

Ein paar Autos stehen am Wegrand, eine Gruppe von jungen Männern macht sich auf den Weg. Es sind Amerikaner und Engländer, die die Nacht mit den Flüchtlingen verbringen wollen. Auch der slowenische Journalist Adi Omerovićhat dies vor. Der Regen hat aufgehört. Die Kollegen sind gut ausgerüstet, sie haben mehrere Film- und Fotokameras dabei. Die Amerikaner haben schon den Weg von Syrien aus dokumentiert. Zu Fuß geht es weiter.

Die ungeteerte Straße führt nach einigen Kilometern einen Hügel hinauf. Kroatische Polizisten stehen gelangweilt am Wegesrand. „Noch ein Kilometer bis zu Grenze“, sagen sie. Nach einer Biegung taucht eine Familie auf, die erschöpft auf der Straße sitzt. Die Frau kauert umschlungen von fünf Kindern auf Taschen, die älteste Tochter ist 10 Jahre alt, „Wir kommen aus Aleppo“, sagt der Mann in gebrochenem Englisch. „Nur Bomben, Terror.“ Dankend nimmt er die angebotene Zigarette an. Erleichtert hören sie, dass die Grenzstation ganz nah ist. Nach Deutschland wollen sie. Warum? „Ich möchte Angela Merkel ein Geschenk mitbringen, unsere fünf Kinder.“

„Auch wir haben das Problem der Überalterung“, witzelt der Journalist Adi, „in Slowenien wollen bisher nicht mal 50 Leute bleiben, dabei könnten sie sofort eine Wohnung bekommen. Ist Ljubljana nicht schöner als Duisburg?“

Freiwillige in der medizinischen Nothilfe

Die Frage bleibt unbeantwortet, denn jetzt ist die Grenze erreicht. Dicht gedrängt stehen mehrere Hundert ausgelaugte, nasse und verfrorene Menschen im Schlamm. Es sind Frauen mit Kindern, vor allem aber Männer, die ohne zu murren warten. Denn vor einigen Stunden haben die Kroaten mehrere Tausend Menschen die Grenze passieren lassen. „Es gibt Hoffnung“, sagt ein 20-jähriger junger Mann aus Homs in Syrien. Er ist mit seiner Schwester hier.

Weiter vorne in der Schlange sind einige Zelte aufgestellt, viel zu wenige, um den Menschen Schutz zu bieten. Nur einige Frauen mit Kindern können hier dem eisigen Wind entkommen. Einige serbische Freiwillige versorgen notdürftig die Wunden von Flüchtlingen. „Füße und Beine behandeln wir vor allem. Eine Frau mit einem Baby hatte nicht einmal Schuhe an.“ Inzwischen ist auch die Familie aus Aleppo eingetroffen.

Plötzlich wird die Schlange länger, denn im Minutentakt treffen Kleinbusse ein. Bald sind es wieder mehr als Tausend Menschen. Sie drängen nach vorne und erreichen doch nur eine Barriere, die von serbischen Polizisten zugehalten wird.

Alle registrieren

Am nächsten Morgen hat sich das Wetter beruhigt, aber kalt ist es immer noch. Am Grenzübergang Opatovac auf kroatischer Seite parken schon mehr als 20 Busse. Kroatische Polizisten sichern das Gelände und registrieren die Journalisten. Alles soll seine Ordnung haben. Ein Führer, der die Pressevertreter durchs das Flüchtlingslager geleiten soll, taucht auf. Am Eingang schützt ein Zeltgang jene Flüchtlinge, die nach einem langen Fußmarsch die kroatische Seite erreicht haben.

Die kroatischen Busse führen nicht mehr auf die etwas entfernt liegende serbische Seite, nachdem serbische Polizisten kroatische Busfahrer festgesetzt hätten. Das jedenfalls ist die Version des Lagerführers Marko. Da taucht auch wieder der junge Mann aus Homs auf. Er ist sieben Stunden gelaufen, total müde und schockiert. Er hat in der Nacht seine Schwester aus den Augen verloren.

Erst einmal muss er jedoch durch die Registrierung. „Wir registrieren alle Flüchtlinge, Entschuldigung, Migranten ist wohl der richtige Ausdruck. Name, Herkunftsort, Nationalität“, sagt ein Polizist. Und was ist mit denen, die keine Papiere haben? „Irgendwelche Papiere haben alle, sei es aus Griechenland oder Mazedonien, wo sie auch registriert worden sind.“ Der Gang führt weiter zum Medizincheck. Katarina Zorićvom kroatischen Roten Kreuz hat heute vor allem Unterkühlungen festgestellt. Decken liegen bereit. Die Neuankömmlinge werden zum Essenszelt geleitet. Es gibt heißen Tee, Weißbrote, Thunfisch und Sardinen, Äpfel, auch Zitronen und Orangen für besonders geschwächte Menschen.

„Nicht winterfest“

Weiter geht es zum Meeting Point. „Wir haben Dolmetscher für Arabisch und Farsi“, sagt ein Betreuer. Hier können sich verlorene Verwandte wiederfinden. „Die Leute wollen nicht in die Busse nach Slowenien steigen, solange ein Familienmitglied fehlt“, sagt Marko.

Hinter einem Erdwall stehen die großen Zelte. „Nicht winterfest,“ erläutert einer der Lagerleiter, „es ist aber eine neue Anlaufstelle im Bau.“ Das Lager, das mehrere Tausend Menschen aufnehmen kann, ist unterteilt in vier Sektionen. Drei sind immer belegt, eine Sektion wird gereinigt und für Neuankömmlinge hergerichtet.“

Auf dem gegenüberliegenden Platz warten Flüchtlinge auf den Abtransport. Polizisten stellen Gruppen von je 50 Personen zusammen. Diese werden zu einem Bus geleitet. Die Gesichter entspannen sich. Im Bus findet jeder Platz. Der Abtransport geschieht im Zehnminutentakt. Die Busse fahren zur 500 Kilometer entfernten slowenischen Grenze.

„Wir verlangen kein Geld wie die Mazedonier, die 33 Euro pro Person nehmen, dies alles bezahlt der kroatische Staat“, erklärt Marko. Auf einen der Busse wartet auch die Familie mit den Geschenken für Angela. Sie hat es bis hierher geschafft.

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