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Flüchtlinge in Israel interniertWie Verbrecher behandelt

Afrikanische Flüchtlinge in Israel fordern ein Ende der Kasernierung, Asyl und eine Arbeitserlaubnis. Ihr Protest soll weitergehen.

Flüchtlinge sammeln sich vor den Protesten in Tel Aviv. Bild: reuters

TEL AVIV taz | Sadiq Ahmad ist es leid, als Eindringling oder sogar als Krebsgeschwür bezeichnet zu werden. „Ich bin geflohen, nachdem mein Dorf in Flammen aufging“, sagt der 22-Jährige aus Darfur. Zusammen mit rund zehntausend Afrikanern ist Ahmad seit Sonntag im Streik, um als Flüchtling anerkannt zu werden. Die Demonstranten versammeln sich im Tel Aviver Levinsky-Park.

„Wir werden weitermachen, bis wir unsere Rechte bekommen“, meinte am Dienstag einer der Redner. „Wir sind vor Verfolgung geflohen, vor Zwangsrekrutierung, Diktaturen und Völkermord“, heißt es in einer Mitteilung an die Presse.

„Doch anstatt dass Israel uns als Flüchtlinge anerkennt, werden wir wie Verbrecher behandelt.“ Die neue Rechtslage, die ein Festhalten der Afrikaner in einem Internierungslager ermöglicht, ist der Hauptgrund für den Protest.

Die knapp 55.000 afrikanischen Flüchtlinge in Israel werden nicht als Asylsuchende anerkannt. „Wir haben noch nicht einmal die Möglichkeit, Asyl zu beantragen“, meint Sadiq Ahmad in fehlerfreiem Hebräisch. Seit knapp fünf Jahren schlägt er sich mit illegalen Gelegenheitsarbeiten, meistens als Koch, durch. Seine israelischen Papiere beschränken sich auf einen befristeten Aufenthalt. Arbeiten darf er nicht.

Der Levinsky-Park im Süden Tel Avivs ist einer der Sammelpunkte für die Flüchtlinge. Problematisch ist, dass die Infrastruktur für die vielen Menschen, die jahrelang via Ägypten ins Land kommen, nicht eingerichtet ist. Unter den Anwohnern wächst der Unmut.

Um dem entgegenzuwirken, hielt die Regierung mehrere tausend der Flüchtlinge in dem Gefängnis Saharonim im Negev fest. Auf richterliche Entscheidung mussten die Insassen nach Cholot verlegt werden, einem Lager, das tagsüber die Tore offen lässt. Dreimal täglich werden die Insassen zum Appell gerufen.

„Geschirrspüler“

„Cholot ist ein Gefängnis, kein offenes Lager“, meint Ahmad. Wer nicht zum Appell erscheint, kann entsprechend der aktuellen Rechtslage umgehend wieder nach Saharonim verlegt werden. „Weder Streik noch Demonstrationen“, so wetterte Regierungschef Benjamin Netanjahu, würden die Afrikaner in ihren Forderungen voranbringen.

„Genauso wie es uns gelungen ist, das illegale Eindringen zu stoppen“, genauso entschlossen sei er, die „Eindringlinge wieder von hier wegzubringen“. Die Minister sprechen von „Arbeitsmigranten“, Innenminister Gideon Saar schimpfte die Flüchtlinge gar „Geschirrspüler“.

Walpurga Englbrecht, Vertreterin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Israel, empfindet diesen Sprachgebrauch als wenig hilfreich. Die Österreicherin zeigte sich „besorgt“ über die Internierung der Afrikaner. Israel müsse den Menschen die Gelegenheit geben, einen Asylantrag zu stellen, meinte sie am Dienstag früh im Armeeradio.

Igal Palmor, Sprecher des Außenamts in Jerusalem, nannte die Situation „komplex“. Israel sei der einzige entwickelte Staat mit einer Landgrenze nach Afrika und sei deshalb relativ leicht zu erreichen. Aufgrund politischer Instabilität in den Nachbarländern sei es zudem „praktisch unmöglich, eine regionalkooperierende Lösung mit den Herkunfts- und Transitländern“ zu erreichen.

Prämie für Rückkehrer

Um die Afrikaner zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer zu motivieren, lockt das israelische Innenministerium mit einer einmaligen Prämie von 3.500 Dollar. Für zehn von elf Flüchtlingen, die aus Eritrea oder dem Sudan kommen, ist das Angebot nicht relevant, wenn sie sich nicht in Gefahr begeben wollen. Trotzdem sind rund 2.600 Afrikaner 2013 zurückgekehrt.

„Ich kann doch nicht mein Leben für Geld verkaufen“, meint Sadiq Ahmad. Als sein Dorf in Brand gesteckt wurde, sei er mit seinem Bruder geflohen. Noch in Darfur wurden die beiden getrennt.

„Was mit meiner Familie ist, weiß ich nicht“, sagt der junge Mann. Wenn Netanjahu keine Lösung für die Flüchtlinge habe, dann solle er seine Akte der UNO übergeben. Als Asylsuchender stünden ihm Bildung und Gesundheitsversorgung zu.

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