Flüchtlinge in Griechenland: In Rekordzeit neue Camps
In der Hafenstadt Piräus treffen immer mehr Migranten ein. An der Grenze zu Mazedonien sitzen fast 10.000 Menschen fest.
Daraus wird vermutlich nichts. Da Österreich Obergrenzen für Flüchtlinge eingeführt hat und sämtliche Länder Südosteuropas daraufhin den Grenzverkehr einschränkten, sitzen derzeit 10.000 Menschen an der griechisch-mazedonischen Grenze fest. Darunter sind viele Familien mit Babys und kleinen Kindern. Sie leben in einem Camp des UN-Flüchtlingshilfswerks bei Idomeni, das ursprünglich als Notunterkunft für höchstens 2.000 Personen geplant war.
In den frühen Morgenstunden des Mittwochs hatte das Nachbarland die Grenze geöffnet, aber weniger als 200 Menschen einreisen lassen. Wer in Idomeni bleibt, hat es nicht einfach. Toiletten und Waschgelegenheiten fehlen, nachts wird die Kälte unerträglich. Tagsüber wandern viele Migranten ins benachbarte Dorf, klopfen an Türen, bitten um etwas Essen.
Sowohl in der Region als auch in benachbarten Provinzen sollen nun weitere Aufnahmelager entstehen.
Als Erster sprach sich Levteris Ioannidis, Bürgermeister der westmakedonischen Stadt Kozani, offen für die Aufnahme der Neuankömmlinge aus. „Innerhalb von wenigen Stunden konnten wir Unterkunftsmöglichkeiten in einer Turnhalle organisieren und die ersten Menschen dort aufnehmen“, sagte Ioannidis am Mittwoch im TV-Interview.
Gemischte Reaktionen
Anderswo in Griechenland fallen die Reaktionen gemischt aus. Insgesamt steigt die Zahl der „Gestrandeten“ auf rund 24.000 im ganzen Land. Nach Angaben des UNHCR waren im Februar insgesamt mehr als 55.000 Migranten in Griechenland angekommen.
Die Regierung versucht nun, die Menschen von der Straße zu holen und in mehreren kleineren Camps unterzubringen. Sie sollen mithilfe der Armee in Rekordzeit errichtet werden. Im Gespräch war vor allem ein Flüchtlingslager für 1.000 Menschen im Athener Vorort Ilion, das nun aber doch nicht zustande kommt. Der Boden sei „ungeeignet“, ließ die Stadtverwaltung verlauten.
Dafür kommen immer mehr Flüchtlinge in die südlichen Vororte Athens: Schon jetzt leben mehr als 3.000 Menschen notdürftig in einem Passagierterminal am Hafen von Piräus, die Kapazitäten könnten durchaus erweitert werden. Zudem werden im olympischen Baseball-Stadion Zelte für Neuankömmlinge aufgestellt.
Eingeschränkte Öffentlichkeit
Für Verstimmung sorgt unterdessen die Entscheidung der Regierung, Besuche von Journalisten in Aufnahmelagern „bis auf Weiteres“ zu verbieten. Wer etwa als Pressevertreter zum Auffanglager nach Piräus kommt, darf zwar vor dem Eingang drehen, nicht aber im Innenraum.
Jedenfalls gehen die griechischen Behörden derzeit strikter gegen Einwanderer aus dem Maghreb vor. Laut Medienberichten wurden am Dienstag und Mittwoch insgesamt 308 Menschen aus Marokko, Tunesien und Algerien in die Türkei zurückgebracht. Dies sei im „Rückübernahmeabkommen“ aus dem Jahr 2002 zwischen Athen und Ankara vorgesehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?