Flüchtlinge in Berlin-Kreuzberg: „Es ist hier besser als in der Schule“
Fünf Monate wohnte Sylvester aus Nigeria in der besetzten Schule in Kreuzberg. Er hat das Umzugsangebot angenommen. Ein Besuch in Spandau.
BERLIN taz | Das Chaos der immer noch besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule ist meilenweit entfernt, hier vor dem Flüchtlingsheim in Spandau. Büsche und Bäume dämpfen den Verkehrslärm des Askanierrings auf ein Minimum. Zwei Kinder spielen auf dem Spielplatz vor dem Eingang des Gebäudes, das einer Kaserne nicht unähnlich ist. Die Mutter sitzt auf einer Schaukel. Der Vater hockt auf dem Boden. Er guckt seiner Tochter zu. Sie scheinen nach langer Zeit endlich wieder zur Ruhe zu kommen. Ein junger Afrikaner schlendert an dieser Szenerie vorbei.
Schwarze Sonnenbrille, sauberes weißes T-Shirt, locker sitzende Jeans, die nackten Füße in Schlappen: Sylvester aus Nigeria steckt sich eine Zigarette an und beginnt zu erzählen. Am Dienstagabend ist er hier angekommen. Mit dem letzten Bus, der Flüchtlinge von der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg in die Unterkunft in Spandau gebracht hat. „Es ist hier besser als in der Schule“, sagt er. „Die Toiletten stinken nicht.“ Gefragt nach warmer Dusche und weichem Bett, lacht er zufrieden und bejaht.
Fünf Monate wohnte der 25-Jährige in der von Flüchtlingen besetzten Schule, die das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg seit Dienstag räumt. Sylvester hat wie bisher 208 Menschen das Angebot angenommen, in vom Senat gestellte Ersatzunterkünfte in Charlottenburg und Spandau umzuziehen.
Etwa 40 Flüchtlinge harren aber immer noch in der Schule aus. Sie fordern Bleiberecht nach § 23 des Aufenthaltsgesetzes und glauben nicht an die Zusicherung von Bezirk und Senat, sie sechs Monate lang zu dulden und ihre Asylanträge hier in Berlin zu prüfen. Sie verweisen darauf, dass bereits zehn Flüchtlingen vom Oranienplatz die Abschiebung droht, obwohl ihnen das gleiche zugesichert wurde. Die andauernde Besetzung sei „der Preis der schlechten Erfahrungen, die sie in den Verhandlungen mit dem Senat und dem Bezirk gemacht haben“, heißt es in einer Mitteilung der Flüchtlinge vom Dach der Schule.
Sylvester sagt, er könne nur nur für sich sprechen, sei aber „sehr zufrieden“ mit der Situation im neuen Heim. Optimistisch blicke er in die Zukunft, Gott werde sich schon kümmern. Er könne aber auch verstehen, dass die Menschen in der Schule Angst haben, wieder in Lager gesteckt und abgeschoben zu werden. Wie über seinen Asylantrag passieren wird, weiß Sylvester nicht.
Auf Gott wollen die Flüchtlinge in der Schule nicht vertrauen. Sie besetzen weiterhin das Dach der Schule, um eine echte Chance zu bekommen: das Recht zu bleiben und zu arbeiten, es selbst zu versuchen. „Nur Bett und Dusche reichen uns nicht“, sagt ein Untersützer im Namen der Flüchtlinge der taz. „Wir wollen echte Zugeständnisse.“ Sie seien hin und her gerissen zwischen der Angst vor einer gewaltsamen Räumung durch die Polizei und der Hoffnung, dass Bezirk und Senat ein echtes Angebot auf den Tisch packt.
Zur Stunde beraten die Flüchtlinge über das derzeitige Angebot, ein Gespräch auf neutralem Boden mit Bezirks- und Senatsvertretern zu führen. Am heutigen Freitag um 15 Uhr wollen die Flüchtlinge auf einer Pressekonferenz mitteilen, wie sie über das Angebot entschieden haben. Ob Pressevertreter daran teilnehmen dürfen, ist noch nicht klar.
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