Flüchtlinge gut behütet: Trockenen Fußes zur Toilette
In einem aufgegebenen Trakt des Asklepios Klinikums Harburg leben Flüchtlinge mit besonderem medizinischen Bedarf schon seit August.
Es ist wenig los an diesem Montagvormittag. „Die sind alle unterwegs zu Terminen“, sagt Daniela Behrend, Sekretärin der Leitung des Asklepios Klinikums Harburg. Sie zeigt auf die Lampen im gemeinschaftlichen Esszimmer: Sie hingen früher über den Krankenhausbetten. Behrend zeigt auch auf die Schlösser in den Türen, eigens eingebaut für die neue Nutzung: Seit Ende August schon leben in dem leer stehenden Klinik-Altbau fast 70 Geflüchtete aus wenigstens fünf Herkunftsländern, Menschen mit besonderen Bedürfnissen untergebracht: Gehbehinderte oder Dialysebedürftige und viele schwangere Frauen und junge Mütter.
Auf den Zetteln an den Türen stehen die Hausregeln in mehreren Sprachen. Da und dort hängen Bastelarbeiten und Willkommensschriftzüge. Behrend freut sich, dass der Geschäftsführende Direktor des Klinikums, Marco Walker, die Idee hatte, diese zwei Etagen dem städtischen Betrieb „Fördern & Wohnen“ für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung zu stellen. „Dreizehn Kinder sind hier schon zur Welt gekommen“, sagt sie lächelnd. „Und neun stehen unmittelbar vor der Niederkunft.“
Für die leitende Hebamme im Klinikum Harburg, Livia Clauss-Görner, hat sich die Arbeit seit der Ankunft der Gäste nicht verändert. Die gehe „ganz normal weiter“, sagt Clauss-Görner, die seit 30 Jahren als Hebamme arbeitet und „Kinder aus 60 Ländern“ entbunden hat. Auch wenn Geburten zu ihrem Arbeitsalltag gehören, fragt sie sich doch bei jedem Säugling, wie es ihm ergehen wird. Und nun vor allem bei den Kindern der Gäste, wie die Geflohenen hier heißen, ob sie menschenwürdig aufwachsen werden. Auch wenn es nur ein kleiner Anfang und nicht von Dauer sei, so stimmt sie die „hervorragende Unterbringung“ im Klinikum sehr zufrieden. Wie auch die jungen Eltern Elham Karimi und Fahim Hamidi ihr Glück zu schätzen wissen. Zwei Monate verbrachte das afghanische Ehepaar in der Erstaufnahme in der Dratelnstraße, bis die hochschwangere Karimi Ende August mit ihrem Mann vom Zelt in Wilhelmsburg in ein geschütztes, abzuschließendes Zimmer in Harburg umziehen konnte. Dort können sie nun „trockenen Fußes zur Toilette kommen“ und haben es nicht weit zur medizinischen Versorgung. Die beiden Bauingenieure aus dem westafghanischen Herat, die vor den Taliban nach Deutschland flohen und deren Tochter Talia vor drei Wochen geboren wurde, wollen so bald wie möglich ihre Dankbarkeit unter Beweis stellen und „Steuern zahlen“, wie die beiden in einer Mischung zwischen Englisch und bereits erstem Deutsch sagen.
Derweil hofft Klinikdirektor Marco Walker, dass sich auch andere Kliniken seinem Beispiel anschließen und nicht benötigte Räume für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung stellen. Selbst wenn es nur für ein paar Monate im Winter sei, denn auch das Harburger Sonderunterbringung wird im Frühjahr anderen Plänen im Gebäude weichen müssen.
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