Flüchtlinge auf der Balkanroute: Über sieben Grenzen
Die Situation auf der sogenannten Balkanroute kann sich jeden Tag ändern. Doch wie verläuft die Reise von Griechenland nach Deutschland bisher?
Griechenland
In den ersten 20 Tagen des Jahres sind nach UN-Angaben bereits mehr als 35.450 Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland und damit in die EU gekommen. Eine entsprechende Überfahrt kostet derzeit etwa 3.000 Euro pro Person, die an Schlepper bezahlt werden. Nur Flüchtlingen mit Papieren aus Syrien, dem Irak und Afghanistan wird die Weiterreise nach Mazedonien erlaubt. Sie müssen Deutschland und Österreich als Ziele angeben. Die griechischen Behörden haben mittlerweile damit begonnen, Flüchtlingen entsprechende Papiere auszustellen. Sie werden zunächst von den griechischen Inseln mit Fähren nach Piräus gebracht, bevor sie Busse zur mazedonischen Grenze besteigen können. (BO)
Von Hellas nach Mazedonien
Der mazedonisch-griechische Grenzübergang Idomeni-Gevgilija – zugleich Ausreisepunkt aus der Europäischen Union – ist nach einer zweitägigen Schließung seit Donnerstag wieder geöffnet. Mazedonien lässt nach offiziellen Angaben nur noch Flüchtlinge aus dem Irak, Syrien und Afghanistan passieren, die Deutschland oder Österreich als Reiseziel angeben. Sie werden in Richtung Serbien transportiert. Am Donnerstag warteten auf griechischer Seite rund 1.000 Flüchtlinge an der Grenze auf ihre Weiterfahrt, wie Augenzeugen berichteten. Für die Wartenden standen Zelte und Busse zur Verfügung. Zurückgewiesene Personen – also zum Beispiel Pakistaner, Nigerianer oder Tunesier – werden von den griechischen Behörden nach Athen gebracht. (KHD)
Von Mazedonien nach Serbien
Täglich versuchen 2.000 bis 3.000 Flüchtlinge die Grenze von Mazedonien nach Serbien zu passen. Offiziell lässt Serbien nur Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan einreisen. De facto wird niemand zurückgewiesen. Auf serbischer Seite stehen 900 Betten in Notunterkünften zur Verfügung. Diese sind bis auf wenige Ausnahmen leer. Busse bringen die Flüchtlinge für 30 Euro pro Person an die serbisch-kroatische Grenze. Nach dem Beschluss Wiens, Obergrenzen einzuführen, rechnen die Behörden hier mit deutlich steigenden Flüchtlingszahlen. (BO)
Von Serbien nach Kroatien
Die Zahl der von Serbien nach Kroatien einreisenden Flüchtlinge entspricht in etwa der auf den anderen Stationen der Balkanroute. Rund 2.500 Flüchtlinge erreichen täglich Kroatien. Hier erfolgt ein zügiger Weitertransport vornehmlich per Zug nach Slowenien. Obwohl Kroatien selber EU-Mitglied ist, jedoch nicht Teil des Schengenraums, verzichtet das Land weitestgehend auf eine ausführliche Registrierung der Ankommenden. Nach offiziellen Angaben will Kroatien in Zukunft zur Vermeidung von Rückschiebungen aber wie die Nachbarländer nur noch Flüchtlinge passieren lassen, die als Ziel Deutschland oder Österreich angeben. (FIN)
Von Kroatien nach Slowenien
Die aus Kroatien kommenden Flüchtlinge erreichen Slowenien mit dem Zug. Sie werden unmittelbar in das Aufnahmelager Dobova nahe der Grenze gebracht. Dort findet eine zügige Registrierung statt. Diese wird letztlich erst in Österreich abgeschlossen, wo genügend Dolmetscher zur Verfügung stehen, um die Angaben zur Person genauer zu überprüfen. Nur in Ausnahmefällen befinden sich die Menschen länger als 24 Stunden in Slowenien. Oft erfolgt der Weitertransport nach Spielfeld oder Kärnten in weniger als 4 Stunden. Zurückweisungen von Flüchtlingen nach Kroatien finden, wenn überhaupt, nur sehr selten statt. Inzwischen kündigte auch die slowenische Regierung an, nur noch Flüchtlinge einreisen zu lassen, die Österreich oder Deutschland als Ziel angeben. Seit Jahresbeginn haben mehr als 43.000 Menschen Slowenien auf diesem Weg durchquert. (KRT)
Von Slowenien nach Österreich
Seit Mittwoch, also zeitgleich mit der Verkündung von Obergrenzen durch die Bundesregierung in Wien, herrscht ein strengeres Regiment am slowenisch-österreichischen Übergang Spielfeld. 500 Soldaten stehen bereit, um bis zu 6.000 Flüchtlinge täglich zu empfangen. Das Leitsystem, bestehend aus einem vier Meter hohen Maschendrahtzaun und Zelten, soll die geordnete Registrierung erleichtern. Mit den slowenischen Behörden ist laut Polizeisprecher Fritz Grundnig abgesprochen, dass zunächst nur einige hundert Flüchtlinge nach Spielfeld gebracht werden. Alle anderen werden weiterhin über Kärnten nach Österreich geleitet. Hereingelassen werden nur mehr Personen, die in Österreich oder in Deutschland um Asyl ansuchen wollen. Asyl kann gleich beantragt werden. Die Flüchtlinge werden einer Gepäckkontrolle unterzogen, fotografiert und müssen ihre Fingerabdrücke abgeben. Name, Geburtsdatum, Herkunftsort und auch die Fluchtroute werden abgefragt. Da die meisten keine Reisepässe haben, weisen sie sich mit einem provisorischen Papier aus, das die slowenischen Behörden nach der Ersterfassung ausgestellt haben. Dolmetscher helfen dann zu prüfen, ob die Angaben zur Person mit den Tatsachen übereinstimmen können. (RLD)
Das Ziel: Deutschland
Bis zum 14. Januar hatten seit Jahresanfang 51.395 Flüchtlinge die Grenze in die Bundesrepublik passiert. Derzeit kommen weniger: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Donnerstag, an manchen Tagen reisten unter 2.000 Menschen nach Deutschland ein. Zurückgewiesen werden aktuell all jene, die angeben, Asyl nicht in der Bundesrepublik, sondern in einem Drittland wie beispielsweise Schweden beantragen zu wollen. Die derzeitigen Kontrollen an der Grenze sollen unbefristet fortgeführt werden. Die Einführung einer jährlichen Obergrenze für Flüchtlinge in Österreich betrifft voraussichtlich nicht diejenigen Flüchtlinge, die über die Alpenrepublik im Transit nach Deutschland kommen, um dort Asyl zu beantragen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) möchte die Zahl der Einreisenden durch Abkommen innerhalb der EU und mit der Türkei senken. Sie lehnt eine Obergrenze ab. Dagegen verlangen die CSU und Teile der CDU eine solche Obergrenze. Zudem sieht sich Merkel mit der Forderung konfrontiert, Asylsuchende, die aus Österreich einreisen, grundsätzlich zurückzuweisen, da diese aus einem sicheren Drittstaat kämen, wo es keine Verfolgung gebe. Die Befürworter einer Obergrenze verlangen zudem effektive und flächendeckende Grenzkontrollen. (KLH)
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