Flucht vor dem Genmais: Bayerische Bienen im Exil
Zwei Millionen Bienen müssen umziehen - vom Land in die Stadt. So wollen bayerische Imker ihre Tiere vor Genmais schützen, der jetzt anfängt zu blühen.
Die Stadt München hat seit dem gestrigen Dienstag rund 30.000 Einwohner mehr: Sechs Imker haben ihre Bienenvölker in die bayerische Hauptstadt verlegt. Sie protestieren damit gegen den Anbau von gentechnisch verändertem Mais im bayerischen Landkreis Donau-Ries.
Dabei geht es den Imkern vor allem um ein grundsätzliches Problem: Wenn ihre Bienen Pollen von dem Genmais sammeln und diese beim Schleudern in den Honig geraten, darf der Honig nicht verkauft werden. Denn der gentechnisch veränderte Mais der Firma Monsanto MON 810 ist zwar als Futter-, nicht aber als Lebensmittel zugelassen.
Aus diesem Dilemma heraus klagte einer der Imker gegen den Anbau von MON 810. Doch das Verwaltungsgericht Augsburg entschied im Mai, dass nicht der Anbau untersagt werden müsse, sondern sich der Imker samt seiner Völker einen anderen Ort suchen solle. "Deshalb bin ich sehr froh, dass der Münchner Imkerverein uns Asyl gibt", sagt Imker Karl Heinz Bablok.
Er wohnt mit seinen Bienen eigentlich in Kaisheim, zwei Kilometer entfernt von einem Feld mit dem gentechnisch veränderten Mais. "90 Prozent ihrer Aktivitäten erledigen Bienen im Umkreis von drei Kilometern", erklärt Bablok. Das Genmaisfeld wäre also eine der Hauptfutterquellen für die Tiere. Doch auch in größerer Entfernung wären sie noch nicht sicher. Denn Bienen können problemlos auch bis zu zehn Kilometer weit fliegen.
"Die Bienenvölker werden drei bis vier Wochen in München bleiben", erklärt der Imkermeister Thomas Radetzki, Vorsitzender des Vereins Millifera. Dann sei die Maisblüte vorbei und die Bienen könnten wieder nach Hause ziehen. Mit Bablok sind noch eine Hand voll weiterer Imker nach München gezogen - einige auf eigene Faust, andere mit Unterstützung der Münchner Bienenzuchtvereine. Die Kosten für so einen Umzug vermag allerdings keiner der Imker zu schätzen. "Das Gericht hatte damals 3.500 Euro für den Transport mehrerer Völker angesetzt, aber das ist lächerlich", sagt Radetzki. Dazu kommt der logistische Aufwand: Die Bienen müssen verladen, transportiert und ihre Stöcke wieder aufgestellt werden.
Auch aus anderen Gründen fällt ein Umzug nicht leicht: Ein Imker erzählt, dass im vergangenen Jahr einige seiner Bienen gestorben sind. Nun wolle er sich unter keinen Umständen von seinen Tieren trennen, meint er. "Bei einem anderen konnten wir gar nicht alle Völker transportieren, weil sie gerade Honig in den Waben haben", erklärt Bablok. Ein Transport wäre hier nicht nur aufgrund des Gewichts technisch kaum zu bewerkstelligen, sondern auch eine Gefahr für die Bienen. Bablok ist froh, dass sich während des Exils die Münchner Bienenzüchter um die Bienen kümmern. Immer von Kaisheim nach München zu fahren könnte er sich schon zeitlich nicht leisten.
Angst haben müssen die Münchner übrigens nicht. Die Bienen stehen zwar in der Nähe des Englischen Gartens - und zu Protestzwecken auch einen Tag vor der Staatskanzlei. Doch von sich aus werden die kleinen Tiere für Menschen nicht gefährlich. "Trotz des Umzugs haben die Imker hier noch Glück - in Brandenburg gibt es so viele Felder mit gentechnisch verändertem Mais, da nützt nicht einmal Umziehen noch etwas", sagt Radetzki.
Die einzigen, die sich über den Umzug freuen könnten, sind die Bienen. Laut Radetzki gibt es in Großstädten so viele blühende Pflanzen, dass die Wege für die Tiere kurz und die Möglichkeiten zum Sammeln groß seien. Lieber wäre ihm trotzdem gewesen, den Umzug freiwillig und nicht der Gentechnik wegen zu machen.
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