Flucht in die EU: Türkei beendet Grenzdrama

Polizisten an der türkisch-griechischen Grenze haben 5.000 Migranten dazu gezwungen, in Busse einzusteigen. Sie kommen erst mal in Quarantäne.

Zwei Geflüchtete mit Plastiktüten als Regenschutz.

Der Weg in die EU ist versperrt: Junge syrische Geflüchtete an der türkisch-griechischen Grenze Foto: Marko Djurica/reuters

ISTANBUL taz | Am vergangenen Wochenende hat die türkische Polizei teils gewaltsam die rund 5.000 Flüchtlinge, die sich noch im Grenzgebiet zu Griechenland aufhielten, ins Landesinnere gebracht. Viele der Flüchtlinge wollten nicht gehen, weil sie für den Weg an die Grenze ihre letzten finanziellen Reserven aufgebraucht hatten, doch die Polizei zwang alle Menschen in bereitstehende Busse.

Sie verbrannte Zelte und andere selbstgebaute Unterstände der Flüchtlinge. Die Menschen wurden an unterschiedliche Orte im Landesinneren gebracht und dort unter Quarantäne gestellt, wie das Innenministerium mitteilte.

Damit endet vorläufig ein Drama, das der türkische Präsident im Februar selbst initiiert hatte. Damals versicherte er allen rund 4 Millionen im Land lebenden Flüchtlingen, die Türkei würde ihre Grenze nach Europa öffnen. Tausende brachen daraufhin in der Erwartung zur griechischen Grenze auf, sie dürften endlich nach Europa – und waren dann völlig erschüttert, als die griechische Grenzpolizei sie mit Tränengas und Gummigeschossen empfing.

Ein Teil der Flüchtlinge war sogar kostenlos mit staatlichen Bussen zur Grenzstadt Edirne gebracht worden. Bei gewaltsamen Angriffen auf griechische Grenzanlagen, die teilweise von türkischen Provokateuren unterstützt oder gar selbst in Szene gesetzt worden waren, wurden mehrere Migranten getötet.

Corona-Bekämpfung als Vorwand

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu erklärte, man habe die Flüchtlinge nur wegen der vom Coronavirus ausgehenden Gefahr von der Grenze weggebracht. Sobald die Epidemie vorüber sei, könne jeder, der wolle, das Land ungehindert verlassen.

Mittlerweile ist in der Türkei nicht nur für Flüchtlinge, sondern für die gesamte Bevölkerung die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt worden. Leute über 65 oder solche mit chronischen Erkrankungen haben Ausgangssperre, alle anderen dürfen ihre Stadt nicht mehr verlassen. Überlandbusse fahren nur mit Sondergenehmigung.

Alle Geschäfte außer Apotheken und Supermärkten sind seit zwei Wochen geschlossen. Dennoch steigt die Zahl der Infizierten. Die Opposition fordert deswegen eine Ausgangssperre für das gesamte Land. Die Regierung lehnt das ab. Jeder solle eine Ausgangssperre für sich selbst erklären, sagte Gesundheitsminister Fahrettin Koca. Während Erdoğan weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden ist, erläutert Koca jeden Tag auf einer Pressekonferenz den Stand der Corona-Epidemie.

Offiziell zählt die Türkei bisher knapp 10.000 Infizierte und 131 Coronatote und kommt damit momentan noch glimpflich davon. Doch es gibt starke Zweifel an diesen Zahlen. Als Koca am 28. März für die letzten 24 Stunden landesweit 16 neue Todesfälle meldete, berichtete der Oppositionsabgeordnete Veli Ağbaba, allein in Istanbul seien in der Nacht zwanzig Coronapatienten gestorben.

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