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Fliegen sind BakterienschleudernPer Fliegentaxi auf den Teller

Nicht nur Schmeißfliegen tragen Krankheitskeime mit sich herum, auch auf der gewöhnlichen Stubenfliege sind sie zu finden.

Stubenfliege (Musca domestica) bei der Nahrungsaufnahme Foto: imago/blickwinkel

Hamburg taz | Ihr Image ist verheerend: Stuben- und Schmeißfliegen nerven nicht nur mit ihrem Summen und Brummen, sie fliegen und krabbeln auch überall herum, von der Klobrille bis zum Mittagessen, weswegen sie schon länger als Keimschleuder verdächtigt werden. Und das völlig zu recht, wie jetzt ein interna­tio­na­les Forscherteam ermittelt hat. Die Erregerlast der Brummer ist sogar noch größer als erwartet.

„Stubenfliege“ geht ja noch, aber der Begriff „Schmeißfliege“ lässt schon erahnen, dass dahinter kein Sympathieträger steckt. Denn „schmeißen“ kommt aus dem Althochdeutschen, wo es für „beschmieren“ oder „besudeln“ stand. Der Kontakt mit Fliegen galt schon immer als unrein, und auch die Medizin warnt schon lange vor ihrem Potential als Krankheitsüberträger. „Trotzdem wusste man bisher nur wenig darüber, welche Erreger tatsächlich von den Fliegen übertragen werden“, berichtet Ana Carolina Junqueira von der Staatlichen Universität in Rio de Janeiro. Die brasilianische Genetikerin hat sich daher mit dem deutschen Biologen Stephan Schuster und 16 anderen Forschern daran gemacht, diese Wissenslücke zu schließen.

Insgesamt 116 frei lebende Fliegen von drei Kontinenten wurden auf das Erbgut von Erregern untersucht. Die Ergebnisse übertrafen die Erwartungen der Forscher. Denn man fand auf den Schmeißfliegen 316 und auf ihren Stubenkollegen sogar 351 unterschiedliche Bakterienarten. Einige Brummer-Exemplare hatten mehr als 200 Keim-Spezies im Gepäck.

„Die Bakterien nutzen die Fliegen quasi als Taxi“, erläutert Schuster. Wobei sich die meisten Mikroben vor allem auf den Beinen der Insekten befinden. Was einerseits nicht verwundert, da diese Organe den häufigsten Kontakt mit Aas, Kot und anderen Unappetitlichkeiten haben.

Andererseits aber auch bedeutet, dass die Bakterien nicht nur herumkutschiert, sondern auch tatsächlich abgeladen werden, so dass sich das Risiko für Infektionen erhöht.

Panik und ein übereilter Einsatz von Insektensprays sind jedoch auch nicht angebracht

Zu den mikrobiellen Reisegästen der Fliegen zählen berüchtigte Krankheitserreger wie Escherichia coli (Darm- und Harnwegsinfektionen), Klebsiella pneumoniae (Lungenentzündungen) und Helicobacter pylori (Magengeschwüre), von dem es bislang hieß, dass er für einen Transport per Fluginsekt nicht in Frage käme. Außerdem sollte man sich von der Vorstellung verabschieden, dass dort, wo es am lautesten summt, auch das höchste Infektionsrisiko besteht. Denn die Fliegenhorde im Stall des Bauernhofs ist meistens weniger mit Keimen belastet als etwa der versprengte Brummer, der es in der Großstadt vom gelben Müllsack ins penibel saubere Appartement geschafft hat.

Gründe genug also, um die Zahl der Fliegen in der Wohnung unter Kontrolle zu halten. Panik und ein übereilter Einsatz von Insektensprays sind jedoch auch nicht angebracht. Denn die überall herumkrabbelnde Fliege ist immer noch ein geringeres Infektionsrisiko als etwa die Zecke, die sich gezielt in ihren Opfern verbeißt. Außerdem sehen die Forscher um Ana Junqueira auch einen Vorteil in der engen Liaison von Fliege und Bakterie: Man kann nämlich an den kontaminierten Insekten erkennen, ob irgendwo Fleischabfälle oder andere Infektionsherde sitzen, die noch niemand bemerkt hat.

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Paar Krankheitserreger dürfen/müssen doch sein, wegen Immunsystem in die Schule schicken. Wenn ich Sonntags in der Früh-Frühe erwache, weil es auf der Nase kitzelt, ja da platzt schon mal die Hutschnur. Aber lass mal, die Fische im Aquarium freuen sich über jeden Brummer. Heliobacter- Infekt haben die aber offensichtlich nicht.

  • Das ist nicht so brisant, wie es zunächst klingen mag. Der Magen macht den meisten Bakterien den Garaus. Problematisch wird es, wenn die Bakterien von verrottendem Fleisch stammen (Salmonellen&Co.). Es gilt demnach, die dicken Fleischfliegen im Auge zu behalten. Ist man Vegetarier, wird man zum Glück von diesen Brummern verschont.

    Fruchtfliegen sind im Übrigen ungefährlich. Studien haben ergeben, dass sie nicht auf Fäkalien oder Aas fliegen.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Menschen sind (ebenso) Bakterienschleudern.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      ... dass es überhaupt noch Menschen gibt, ist sehr verwunderlich - nach dieser "wissenschaftlichen" Studie müssten wir doch schon alle tot sein!

  • Fritzchen ist vor Jahren bei der Tante zu Besuch auf dem Land. Tante fragte: "Gefällt es Dir hier bei uns?" Fritzchen antwortet: "Ja sehr, aber die Fliegen auf dem Plumpsklo sind so ekelig" Die Tante entgegnete: "Ach Fritzchen, Du must zur Mittagszeit auf Klo gehen, dann sind alle Fliegen auf dem Essentisch!"

  • Vermutlich hat ein Glyphosatproduzent die Studie finanziert, um das Erschrecken über das Insektensterben in helle Freude zu verwandeln. Der Wahnvorstellung, man müsse in irgendeinem bakterienfreien Steriluniversum vor sich hin vegetieren, um gesund zu bleiben, sei eine Studie von Forschern des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie in Bremen entgegengestellt: https://www.mpg.de/11827652/baktierien-sand

    Demnach leben auf jeden Sandkorn bis zu 100.000 Bakterien jeder Couleur. Fliegen für die Verbreitung von Bakterien verantwortlich zu machen ist einfach lächerlich. Alles verbreitet Bakterien! Auf jedem Staubpartikel, der durch die Luft fliegt, sitzen Bakterien. Sie besiedeln jeden Quadratmikrometer unserer Welt. Und wer auf Fliegen sucht, der findet. Ich glaube, wer eine solche Studie finanziert hat entweder nicht alle Tassen im Schrank oder ein konkretes Interesse an einem solchen Ergebnis. Schreiben Sie ja nichts über die Bakerienpopulationen unter unseren Fingernägeln, sonst beginnen sensible Seelen sich diese mit der Kneifzange auszureißen. Oder Jugendliche fangen an, vor dem ersten Kuss Desinfektionscreme zu gurgeln. Wehe!

    • 1G
      10391 (Profil gelöscht)
      @Jakob Bauer:

      Es geht hier nicht nur um Bakterien, sondern auch um Krankheitserreger, die im vorletzten Absatz auch genannt werden.

  • Kein Problem, dieses Jahr gabs auch signifikant weniger Fliegen als früher. Keine Ahnung, wieso -- auch Glyphosat? Egal, die Bakterien müssen sich in Zukunft warm anziehen. Nix mehr Taxi.

  • Das hat Dr. Dolittle in einem Kinderbuch irgendwelchen Leuten/Tieren erzählt: Nichts essen, wo sich Fliegen drauf gesetzt haben.

    Morgen exklusiv: Nicht in die Sonne gucken!

    Ach halt... vielleicht ist das doch gut... zumindest manch ein POTUS scheint den Hinweis ja zu brauchen.

    Also für alle, die das noch nicht wussten: Lest mehr Kinderbücher.