Flensburger Hotelprojekt: Kein Klima für eine Waldbesetzung
Amtsrichter erkennt bei der Besetzung des Flensburger Bahnhofswaldes keinen rechtfertigenden Notstand. Eine Kollegin hatte das anders gesehen.
Die beiden Angeklagten werden beschuldigt, im Februar 2021 widerrechtlich das befriedete Grundstück in der Bahnhofstraße 40–50 betreten und sich dort zusammen mit anderen Besetzer*innen in Baumhäusern aufgehalten zu haben. Dafür wurden Strafbefehle erlassen, die mit einer Geldstrafe von jeweils 15 Tagessätzen zu je 15 Euro belegt wurden. Beide Angeklagte legten jedoch Einspruch ein. So kam es zu der Verhandlung, die fast sechs Stunden dauerte.
Der Prozess fand im sogenannten Krawall-Saal A 113 statt, vor dem strenge Einlasskontrollen stattfanden. Am Gerichtseingang wurden die Kleider und Rucksäcke der Besucher*Innen durchsucht. Der Richter begründete die Wahl dieses Saales mit der angemeldeten Demonstration vor dem Amtsgericht und damit, dass in der Vergangenheit Prozesse mit ähnlichem, öffentlichem Interesse nicht immer einfach gewesen seien.
Gleich zu Anfang argumentierte der Verteidiger einer der beiden Angeklagten, dass das Gelände des Bahnhofswaldes nur unzureichend eingezäunt gewesen sei und dass Waldgebiete grundsätzlich betreten werden dürften. Er stellte auch in Frage, ob eine berechtigte Person die Demonstrant*Innen in rechtmäßiger Weise aufgefordert habe, die Bäume zu verlassen. Die sechs Zeugen – allesamt Polizist*Innen – bestätigten diese Zweifel oder waren sich nicht mehr sicher, wie die Begebenheiten im Februar 2021 genau waren.
Ein Strafbefehl bleibt
Die Staatsanwaltschaft insistierte dennoch darauf, die Strafbefehle beizubehalten: also 15 Tagessätze zu je 15 Euro sowie die Übernahme der Verfahrenskosten. Der Anwalt und die Aktivistinnen wiesen das zurück und beriefen sich für die Baumbesetzung auf das Argument des „rechtfertigenden Notstandes“.
Nachdem der Richter sich für etwa 45 Minuten zurückgezogen hatte, verkündete er das Urteil. Die Angeklagte, welche von einer der Zeug*innen erkannt worden war, wurde für schuldig befunden. Sie muss zahlen. Die zweite Angeklagte wurde freigesprochen.
Der Richter ließ sich nicht vom Argument des „rechtfertigenden Notstands“ überzeugen, obwohl eine seiner Kolleg*Innen im November 2022 zur Besetzung des Bahnhofswaldes eine andere Entscheidung getroffen hatte. Das Amtsgericht Flensburg sprach damals einen 41-Jährigen frei, dem Hausfriedensbruch vorgeworfen wurde.
Dabei wog das Amtsgericht den Klimaschutz als ein Rechtsgut von Verfassungsrang gegen den Eigentumsschutz der Waldeigentümer ab und stellte fest, dass der Hausfriedensbruch in diesem Fall gerechtfertigt sei. Dabei verwies das Amtsgericht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021, das die unzureichende Gesetzgebung zum Klimaschutz kritisierte.
Dagegen ließ der Richter in der aktuellen Verhandlung wissen, die persönlichen Ansprachen der Aktivistinnen hätten seine Entscheidung nicht beeinflusst. Die Angeklagten hatten darin betont, wie wichtig es gewesen sei, den Wald zu erhalten und für Klimaschutz einzustehen.
Nach der Bekanntgabe des Urteils entstanden im Gerichtssaal lautstarke Rufe, die die unterschiedlichen Standpunkte in Bezug auf den Fall verdeutlichten. Viele Aktivist*Innen kritisieren scharf die Umstände, unter denen der Bahnhofswald im Februar 2021 geräumt worden war. Die Investoren hatten zunächst einen Sicherheitsdienst beauftragt, der die besetzten Bäume leicht ansägte. Das Strafverfahren in diesem Zusammenhang wurde jedoch eingestellt.
Die Stadt Flensburg rechtfertigte die anschließende Räumung durch die Polizei mit Verweis auf die Corona-Ausgangssperre, obwohl dadurch viele Menschen vor Ort zusammenkamen. Das Gelände wurde sofort gerodet, während der Bau des Hotels erst ein Jahr später begann, dann aber sehr schnell wieder ruhte. Die Umweltorganisation BUND hat einen vorläufigen Baustopp erwirkt, der solange in Kraft bleibt, bis geklärt ist, ob die Investoren gegen Naturschutzauflagen verstoßen haben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!