Fixie-Rennen in Barcelona: Schneller, als die Polizei erlaubt
In Barcelona treffen sich die besten Radler, die mit nur einem Gang und ohne Bremse fahren. Aus dem Großstadt-Trend ist ein Sport geworden.
Sie haben eine starre Nabe – nur ein Gang ist deshalb möglich. Das ist noch nicht verboten, es macht das Rennen nur schwerer. „Du musst hier ein gutes Mittelmaß finden zwischen der langen Geraden, auf der du Tempo machen kannst, dem kleinen Anstieg hier und der Haarnadelkurve. Und du musst auch noch den Gegenwind einkalkulieren“, erzählt Johanna Jahnke, Ex-Rugby-Nationalspielerin und jetzt begeisterte Fixie-Athletin.
Fixie-Fahrer sind die Outlaws in der Radsportszene. Mit Bahnrädern, also Rädern mit nur einem Gang und ohne Bremse, kämpfen sie auf einem Straßenparcours gegeneinander. Einstige Bahncracks, ausgemusterte Straßenfahrer und Fixie-begeisterte Fahrradkuriere wie die vom Berliner Kollektiv Fahrwerk treten gegeneinander an. Auch Frauen sind dabei – und bekommen in ihrer Kategorie das gleiche Preisgeld wie die Männer. Die Outlaws machen nicht nur mehr Stimmung, sie sind in Sachen Emanzipation auch schon drei Schritte weiter als der Verbandssport.
Der größte Unterschied zum gewöhnlichen Radfahren ist, dass Fixies keine Bremsen haben. Nur durch den Gegendruck auf die Pedalen kann man entschleunigen. Das macht vor allem die Kurvenfahrt zu einem Extremerlebnis. „Du musst dabei auch immer die Pedale treten, sie dreht sich ja mit. Das ist ein echter Tanz, denn das Treten in der Kurve bringt dich ja auch etwas aus der Balance“, erzählt Colin Strickland, Sieger der letzten vier Rennen. Dabei zeichnen sich aber nicht Angst und Vorsicht in den Zügen des 29-jährigen Texaners ab, sondern pures Glück. „Hey, dein Rad kommuniziert die ganze Zeit mit dir. Es sagt dir unmittelbar, was es tut. Und das Größte ist, wenn du dann noch in der Kurve selbst beschleunigst. Das ist ein absolut tolles Gefühl“, meint er.
Colin Strickwell, Fixie-Rennfahrer
Das hatte Strickland zuletzt häufig. Der frühere Straßenfahrer krempelte die Fixie-Serie um. War sie früher eine Sache für Sprinter, so setzt Strickland sich jetzt zwei, drei Runden vor Schluss ab und jagt allein dem Ziellinie entgegen. Beim Wegfahren hilft ihm die Power von der Straße, beim Vornbleiben der Spaß am Ausreizen der Kurvenlage. Er muss dann auch auf niemanden Rücksicht nehmen.
Im Feld hinter ihm sieht es anders aus. „Da fahren Leute Wellen, sie schneiden dich, drängen dich ab und stehen dir im Weg rum. Am Ende der Kurve hängst du dann wie ein nasser Sack“, erzählt Stefan Schäfer. Der Cottbusser kommt von der Bahn, ist mehrfacher Deutscher Meister. In Barcelona wollte er aufs Podium fahren. „Das ist ja ein Hobby hier. Aber ein bisschen Geld zumindest für die Reisespesen darf auch schon reinkommen. Und dafür musst du dann schon auf Rang drei“, meint er. Der Dritte erhält 1.500 Dollar Preisgeld, der Zweite 3.000 Dollar, der Sieger 5.000 und obendrauf ein Fixie-Rad der Firma Specialized.
Frauen und Männer mit gleichem Standing
Jahnke freut es, dass die Siegerin und die auf dem Podium Platzierten im Frauenrennen die gleichen Prämien bekommen. „Das ist klasse hier. Wir haben auch das gleiche Standing wie die Männer“, betont sie.
Da ist die Fixie-Szene weiter als der verbandsgelenkte Sport. Nicht nur der Prämien wegen. Wenn Frauenrennen überhaupt mit Männerrennen kombiniert werden, bilden sie nur das Rahmenprogramm. Beim Red Hook Crit finden Qualifikationen für Frauen und Männer sowie die jeweiligen Finalrennen mit nur kurzen Pausen am gleichen Tag statt. In der offiziellen Warmfahrzone sieht man Frauen und Männer nebeneinander auf den Rollen. Und im Fahrerlager wird ohne Geschlechterunterschiede über Materialien und Renntaktiken geplaudert und sich natürlich für die große Party danach verabredet.
Schäfer nennt sie einfach „die zweite Halbzeit“. Unmittelbar nach dem Rennen schnappte sich ein Fixie-Fahrer auch gleich mobile Boxen und machte auf dem Rad den Antänzer für die After-Race-Party.
Wegen der guten Vibes spricht Johanna Jahnke der Fixie-Szene belebende Impulse für den gesamten Radsport zu. „Als wir uns mit dem von uns organisierten Waterkant Krit in Hamburg an ein normales Straßenrennen anschlossen, hieß es gleich: Die Bunten kommen, die mit dem schrägen Outfit. Und einige waren wohl auch skeptisch, was wir drauf haben. Dann sahen die aber, dass wir trotz des starren Gangs fast genauso schnell unterwegs waren. Und inzwischen ist es so, dass Kinder durch uns an den Radsport herangeführt werden – und da natürlich auf normalen Straßenrädern fahren“, erzählt Rennfahrerin Jahnke.
Die Anarchoszene wirkt belebend. Und sogar politische Haltungen werden frei kommuniziert. „Stop Racism, Start Race-Ism“, ist auf dem Leibchen eines Racers auszumachen.
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