First Lady der Türkei: Die Frau des neuen Sultans
Emine Erdoğan hat den Harem wiederentdeckt. Der ist natürlich kein Sündenpfuhl. Sondern ein Ort, an dem die gute Türkin alles übers Nähen lernt.
Emine Erdoğan, die First Lady der Türkei, fühlt sich offenbar als alleinige Ehefrau von Recep Tayyip Erdoğan nicht mehr wohl. So wie ihr Mann mit allen Tricks die Machtfülle früherer Sultane anstrebt und sich nicht ungern als „Sultan“ bezeichnen lässt, hat nun Emine komplementär den Harem wiederentdeckt.
Entschieden trat sie am Mittwoch den gängigen Vorteilen moderner Türken über den Harem entgegen. Der, so dozierte die Präsidentengattin, sei gar nichts sexuell Anrüchiges gewesen. Der Harem sei so etwas wie die Palastschule für Frauen gewesen. Dort hätten junge Frauen den Verhaltenskodex der osmanischen Oberschicht erlernt, dazu auch ganz praktische Tätigkeiten wie Nähen und Sticken. Etwas Gesangsunterricht soll wohl auch dabei gewesen sein.
Von wegen Sündenpfuhl für sexuelle Spielereien des Sultans. Nichts als orientalische Sexualfantasien ahnungsloser Europäer; der Harem wurde völlig zu Unrecht in der säkularen Republik des Mustafa Kemal Atatürk verunglimpft.
Wie ihr Mann versucht nun auch Emine Erdoğan, die mit Recep Tayyip seit Jahrzehnten verheiratet ist und soweit bekannt in monogamer Ehe lebt, aus der vier Kinder hervorgegangen sind, die Rückbesinnung auf das Osmanische Reich anzufeuern.
Mit dem Segen eines Imams
Ihr Gatte scheint dazu auserkoren, das Erbe der Sultane anzutreten. Da er selbst schlecht für die Wiedereinführung des Harems werben kann, unternimmt das nun seine Frau. Die Mehrehe ist bei vielen AKP-Funktionären schon heute gang und gäbe. Gesetzlich ist das zwar verboten, aber mit dem Segen eines Imams kann man sich in der Türkei noch eine oder auch zwei jüngere Frauen zulegen. Das ist dann zwar noch kein Harem, aber der ist ja auch dem Sultan vorbehalten.
Es ist zwar nicht zu erwarten, das Emine Erdoğan noch zur führenden Sultansmutter in einem Harem wird, ihre Verteidigung der osmanischen Haremskultur zeigt aber, wie in der AKP über die Rolle der Frau gedacht wird. Und das ist gar nicht zum Lachen.
Seit Erdoğan regiert, nimmt die Gewalt gegen Frauen kontinuierlich zu und die Anzahl arbeitender Frauen genauso ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften