Frauen-Demonstration in der Türkei: „Lauf, Tayyip, die Frauen kommen“

Der Frauenmarsch in Istanbul war verboten worden. Mehrere Tausend kamen trotzdem. Und kritisierten vor allem Erdogans Positionen.

Drei Frauen, eine von ihnen hat eine Trillerpfeife im Mund

Erdogans Frauenbild? Finden die Demonstrantinnen in Istanbul am Dienstagabend richtig ätzend. Foto: reuters

ISTANBUL taz | Wasserwerfer, Gummigeschosse und jede Menge Tränengas – das ist es, was DemonstrantInnen normalerweise in der Türkei erwartet. So war es am Sonntag, als mehrere Hundert Frauen in Istanbul den Internationalen Frauentag begehen wollten. Und damit rechnen auch die Frauen, die sich am Dienstagabend vor dem französischen Kulturinsitut am Taksim-Platz zum traditionellen Nachtmarsch versammeln. Der von der Regierung eingesetzte Gouverneur hatte den Marsch verboten, aus Sicherheitsgründen, wie es offiziell hieß.

Mehrere Tausend Frauen – und einige Männer – beeindruckt das nicht. Sie kommen trotzdem. Und dann geschieht das Überraschende: Die Polizei lässt sie gewähren. „Vor uns Frauen hat sogar Tayyip schiss“, sagt eine Teilnehmerin. Tayyip ist der eigentliche Vorname des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seiner Politik gelten auch viele der Banner und Parolen. „Die Transsexuellen, Lesben und bisexuellen Frauen sind hier! Wo bist du Tayyip?“ Oder auch: „Der öffentliche Platz gehört uns. Wir schweigen nicht.“ Andere prangern die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen im Land an aber auch den Krieg, der in den kurdischen Gebieten im Südosten des Landes bereits Hunderte von Toten gefordert hat.

Daneben gibt es auch viel Heiteres. „Mindestens drei Orgasmen pro Woche“ fordert eine junge Demonstratin auf einem handgeschriebenen Plakat. Eine andere hat eine Zeichnung dabei: „Sei kein Engel, sei eine Hexe und erhebe dich.“

Wie Erdogan sich die Rolle der Frauen vorstellt, hatte er Stunden zuvor an einem Empfang in seinem Palast deutlich gemacht. Eine Frau sei vor allem eine Mutter, sagte der Präsident. Dabei verstieg er sich zu der Aussage, Geburtenkontrolle sei ein Versuch, die türkische Nation „auszutrocknen“. Einmal mehr machte er klar, was er unter Frauenrechten versteht: Kinder, Küche, Kopftuch.

In dieser Hinsicht hat seine Regierung zahlreiche Verbesserungen für Frauen geschaffen. Doch was grundlegende Rechte von Frauen betrifft, fällt die Türkei immer mehr zurück. Laut einer aktuellen Studie von „Umut“ („Hoffnung“) wurden im vergangenen Jahr mehr als 400 Frauen ermordet, fast 45 Prozent aller Frauen wurden Opfer von sexueller Gewalt und in einer Umfrage von „Gezici“ sagten 41 Prozent aus, sie seien in der Ehe vergewaltigt worden.

Auch deswegen ziehen die Frauen am Dienstagabend laut lärmend mit Trillerpfeifen durch die Istiklal-Straße, der zentralen Einkaufsmeile von Istanbul. „Lauf, Tayyip, lauf, die Frauen kommen“, skandieren sie immer wieder. Gelegentlich lächelt da sogar einer der Polizisten, die an mehreren Straßenecken positioniert sind.

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