Firmenberater über Lieferkettengesetz: „Anstrengungen sind leistbar“
Am Donnerstag berät der Bundestag über das Lieferkettengesetz. Die Regelungen für Unternehmen seien zumutbar, sagt der Firmenberater Markus Löning.
taz: Am Donnerstag berät der Bundestag über das Lieferkettengesetz. Viele Firmen müssen dann nachweisen, wie ihre ausländischen Lieferanten die Menschenrechte einhalten. Wie gut ist die Vorlage?
Markus Löning: Ich finde die Regelungen zumutbar. Das Gesetz verlangt beispielsweise keine Garantie für die Einhaltung der Menschenrechte. Die Unternehmen müssen sich aber darum bemühen – ein wichtiger Unterschied. Zudem geht es vornehmlich um die Hauptzulieferer der hiesigen Firmen. Und diese haben anderthalb Jahre Zeit, sich darauf vorzubereiten. Insgesamt ist es ein tragbarer Kompromiss.
Ab 2023 soll das Gesetz für Unternehmen gelten, die hierzulande mehr als 3.000 Beschäftigte haben. Ab 2024 werden Firmen ab 1.000 Leute einbezogen, also auch größere Mittelständler. Werden die damit überfordert?
Vielen Firmen verlangt die neue Regulierung zusätzliche Anstrengungen ab, unabhängig von der Zahl der Beschäftigten. Diese sind aber leistbar. Firmen werden sich zusammenschließen, um Standardverfahren zu entwickeln, die dem einzelnen Unternehmen einen Teil der Arbeit abnehmen. Branchenverbände arbeiten an solchen Lösungen, wir ebenso.
Als Unternehmensberater helfen Sie Firmen, dem Gesetz gerecht zu werden. Muss ein durchschnittlicher Maschinenbauer zwei, drei zusätzliche Leute einstellen, um die Paragrafen zu bewältigen?
Eher nicht. Auch mittlere Betriebe beschäftigen ja heute schon Mitarbeiter:innen, die sich um Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte kümmern. Vielleicht geht es um eine neue Vollzeitstelle, wenn das jeweilige Unternehmen potenziell risikobehaftete Produkte einkauft.
Der 60-Jährige leitet die Beratung Löning für verantwortungsvolle Unternehmensführung in Berlin. Von 2010 bis 2014 war der FDP-Politiker Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung im Auswärtigen Amt.
Das hiesige Management soll die menschenrechtlichen Risiken bei seinen wichtigsten Zulieferern überprüfen und sich von diesen bestätigen lassen, dass alles okay ist?
In manchen Fällen dürfte das nicht reichen. Wenn die Firma zum Beispiel Coltan aus handwerklichen Minen im Kongo importiert oder Textilien aus Fabriken in Bangladesch, braucht es wohl mehr als eine einfache Zusicherung des Lieferanten. Dann wird das deutsche Unternehmen unabhängige Prüfer beauftragen müssen, die sich die Produktionsbedingungen beim Zulieferer genau ansehen und einen Bericht darüber verfassen. Und die hiesigen Auftraggeber müssen etwa Smartphone-Apps anbieten, mit deren Hilfe sich ausländische Arbeiter:innen anonym beschweren können.
Bürgerrechtsorganisationen und Grüne kritisieren, dass Firmen für Verstöße nicht zivilrechtlich haften. Im Gesetz steht nun aber, dass beispielsweise die Gewerkschaft IG Metall im Namen ausländischer Arbeiter:innen vor hiesigen Gerichten klagen darf. Kann das auch zu Schadenersatz führen?
Vermutlich kann es in Einzelfällen zu Ansprüchen auf Entschädigung kommen, wenn beispielsweise Menschen verletzt wurden. Das war einer der umstrittensten Punkte bei der Formulierung des Gesetzentwurfs. Viele Geschäftsleitungen haben Angst, für etwas in Haftung genommen zu werden, das sie schlecht kontrollieren können. Wobei es eigentlich normal ist, dass Unternehmen für ihre Produkte geradestehen.
Die EU plant ein europäisches Lieferkettengesetz. Wird dieses über die deutsche Regulierung hinausgehen?
Darauf deutet die große Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen im Europäischen Parlament hin. Möglicherweise betrifft dieser Ansatz dann alle Unternehmen, in deren Produktionsketten menschenrechtliche Risiken auftreten – unabhängig von der Größe der jeweiligen Firma. Auch sind strengere Regeln für die zivilrechtliche Haftung geplant, wobei die großen Wirtschaftsverbände genau das verhindern wollen.
Der Autor Ferdinand von Schirach hat vorgeschlagen, zusätzliche europäische Grundrechte einzuführen, darunter ein Bürger:innenrecht auf fair hergestellte Produkte. Was halten Sie davon?
Es ist richtig, diese Diskussion anzustoßen. Das würde die Möglichkeiten von Geschädigten in aller Welt verbessern, zu ihrem Recht zu kommen. Ohne geht es nicht, wenn man einen fairen Welthandel will.
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