piwik no script img

Finnische Bürgerwehr gegen RassistenDie freundlichen Schwestern

Die „Kyllikin siskot“ verteilen Umarmungen gegen das Gefühl von Unsicherheit. Sie wollen ein Gegengewicht zu rassistischen Bürgerwehren schaffen.

Dieser Polizist wirkt, als könnte er ein paar „free hugs“ vertragen: die „Loldiers of Odin“ in Aktion. Foto: reuters

Stockholm taz | „Ich dachte mir einfach: So kann es doch nicht weitergehen“, erzählt Niina Ruuskanen. Frustriert sei sie gewesen über das Bild, das Finnland bot und das vor allem in den Medien verbreitet wurde. Gerade zum Thema Flüchtlinge. Da sei eine Atmosphäre geschaffen worden „die Kreativität und Veränderung abwürgt und nur dazu führt, dass wir uns plötzlich immer ängstlicher und unsicherer fühlen“.

Der sprichwörtliche Tropfen, der für sie dann das Fass zum Überlaufen gebracht habe, sei die selbsternannte Bürgerwehr der “Soldiers of Odin“ gewesen. Rechtsextremisten und Rassisten, unter denen sich nach Polizeierkenntnissen Kriminelle befinden, die schon reichlich Bekanntschaft mit schwedischen Gardinen gemacht haben. Aber die nun vorgeben, die finnischen MitbürgerInnen vor Gefahren, die angeblich von Asylsuchenden ausgingen, schützen zu müssen.

Vor 20 Jahren habe sie es selbst schon einmal miterlebt, wie man den Skinheads einfach das Feld überlassen habe, empört sich Ruuskanen: „Wir hatten Angst, abends nach Hause zu gehen. Aber es wurde nichts gegen die unternommen.“

Das solle sich nicht wiederholen. Vielmehr hoffe sie, dass die Menschen jetzt bereit seien, Flagge zu zeigen. Die Notwendigkeit verstünden, nicht auszugrenzen, sondern Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit zu demonstrieren. Zeigen, dass Finnland ein tolerantes und sicheres Land sei.

Die Hälfte der Schwestern sind Männer

Gesagt, getan. Ruuskanen formulierte einen Facebook-Aufruf für eine etwas andere Art von „Bürgerwehr“: Bürger, die sich gegen Vereinnahmung durch die Rassisten wehren wollten. „Denn wenn man nur Teil der schweigenden Mehrheit ist, tut man dann etwas anderes, als all das passiv zu akzeptieren?“

Einen passenden Namen für ihre „Straßenpatrouille“ hatte sich Ruuskanen auch gleich überlegt: „Kyllikin siskot“, Kyllikkis Schwestern. Und um für Kyllikki – eine Gestalt aus dem finnischen Nationalepos „Kalevala“, eine selbstbewusste junge Frau – Mitkämpferinnen zu finden, sei leichter gewesen, als sie sich das vorgestellt habe.

Wobei sie allerdings nicht damit rechnete, dass rund die Hälfte der potenziellen „Schwestern“, die sich da meldeten, Männer waren. Das beweise, wie weitverbreitet das Gefühl der Frustration sei, gegen das man nun etwas tun will.

Eine erste Gruppe der „Kyllikin siskot“ fand sich im ostfinnischen Joensuu zusammen. Für die „Schwestern“ in der nordwestlichen Grenzstadt Kemi, wo es eine große zentrale Unterkunft für Asylsuchende gibt, hatte Katja Hietala die Initiative übernommen.

Drohungen in sozialen Netzwerken

Freitags, spätnachmittags und abends, wenn sich viele Menschen auf den Straßen bewegen, versuche man ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu verbreiten, erzählt sie, biete Hilfe an, verteile Umarmungen und hoffe so dem Gefühl von Unsicherheit etwas entgegensetzen zu können.

„Eigentlich Kleinigkeiten also“, sagt Sari, ein anderes Mitglied der „Kyllikin siskot“: „Aber auch kleine Bäche haben ja das Zeug zu einem Fluss.“ Vor allem wolle man demonstrieren, dass man sich niemandem gegenüber misstrauisch oder abweisend verhalten soll, nur weil man ihn nicht kenne, er aus einem fremden Land hierhergekommen sei.

Probleme mit den „Straßenpatrouillen“ habe man bislang nicht gehabt, berichtete der örtliche Polizeikommissar Eero Vänskä im Fernsehen. Aber in Kemi habe es nie Vorfälle von sexueller Belästigung seitens Asylsuchender gegeben.

Drohungen mit sexueller Gewalt haben dagegen die „Schwestern Kyllikkis“ erfahren. Sowohl ihr wie ihrer Tochter sei in sozialen Netzwerken angedroht worden, sie zu vergewaltigen, sagt Sari: „Das kam nicht von Asylsuchenden, sondern von finnischen Männern, denen wohl nicht passt, was wir tun.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Auf dem Bild zum Artikel sind doch "Kyllikkis Schwestern" nicht die "Loldiers of Odin" zu sehen?