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Finnen kündigen VertragKein AKW unter russischer Regie

Ein finnischer Konzern kündigt seinen Vertrag mit Rosatom zum Bau des sechsten AKW im Land. Das Unternehmen verliert fast eine Milliarde Euro.

Auf der Baustelle des Atomkraftwerks Hanhikivi im November 2021 Foto: Vesa Moilanen/Lehtikuva/imago

Stockholm taz | Es wird in Finnland kein neues AKW unter russischer Regie geben. Das Elektrizitätsunternehmen Fennovoima, das 2015 mit dem russischen Staatskonzern Rosatom einen Vertrag zum Bau und Betrieb von Hanhikivi-1, einem an der finnischen Westküste nahe dem Ort Pyhäjoki gelegenem AKW-Neubauprojekt geschlossen hatte, kündigte diesen Vertrag am Montag auf. Zur Begründung wird auf erhebliche Bauverzögerungen verwiesen. Und darauf, dass Rosatom auch fünf Jahre nach Baubeginn noch nicht die erforderlichen Unterlagen für eine Genehmigung des eigentlichen Reaktorbaus vorlegen konnte. Es sollte das sechste AKW in Finnland werden.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wurde zunächst offiziell nicht als eigentlicher Grund für die Vertragskündigung genannt. In einer Pressekonferenz betonten der Fennovoima-Chef Joachim Specht und Esa Härmälä, der Aufsichtsratsvorsitzende des Unternehmens, es habe „kein einzelnes Ereignis gegeben“, das zu der Entscheidung geführt habe. Verantwortlich sei eine „Anhäufung“ von Problemen gewesen.

Das peinliche Bemühen, keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Baustopp und dem Krieg herzustellen, dürfte neben juristischen Gründen auch der Eigentümerstruktur von „Fennovoima“ geschuldet sein. Dazu gehört nämlich neben drei Dutzend finnischen Unternehmen und kommunalen Elektrizitätsgesellschaften auch Rosatom selbst. Der russische Atomkonzern hält rund ein Drittel der Anteile.

In einer Presseerklärung wurde „Fennovoima“ deutlicher: „Der Krieg in der Ukraine hat das Risiko für das Projekt erhöht“, heißt es da. Roas, die für den Bau verantwortliche Rosatom-Tochter, sei „nicht in der Lage gewesen, die entstandenen Risiken zu vermindern“.

Es könnte noch teurer werden

Planungs- und vorbereitende Arbeiten sollen bereits fast eine Milliarde Euro gekostet haben. Es könnte noch teurer werden. Unklar sei nämlich noch, ob Rosatom wegen der Kündigung Schadensersatzforderungen stellen würde, erklärte Härmälä: „Wir haben sie am Freitag informiert. Es gab noch keine Reaktion.“ Das Wirtschaftsministerium indes begrüßte die Vertragsauflösung als „gerechtfertigt und konsequent“.

Die Regierung war seit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine kritisiert worden, dass sie nicht von sich aus den Weiterbau sanktioniert hatte. Die Bauarbeiten waren bis Ende April weitergegangen. Bis zu 500 Arbeitern waren zuletzt mit Vorbereitungen für das Fundament des Reaktorgebäudes beschäftigt.

Mehrere „Fennovoima“-Anteilseigner hatten einen sofortigen Baustopp gefordert, als „Rosatom“ Anfang März die Kontrolle über das ukrainische AKW Saporischja übernommen und erklärt hatte, dass dieses nun ein Teil von Rosatom sei. Ministerpräsidentin Sanna Marin und Wirtschaftsminister Mika Lintilä hatten aber lediglich angekündigt, die Kriterien für eine mögliche Betriebsgenehmigung müssten einer neuen Bewertung unterzogen werden.

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2 Kommentare

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  • Drum prüfe, wer sich ewig bindet.

    Rechtsstaatlichkeit ist ein hohes Gut, das unter gewissen Umstanden nur schwer zu ertragen ist, aber niemals aufgegeben werden darf.

    Im Zweifel ist eine politische Fehlentscheidung dann einfach nur teuer. Es wird auch in deutschen Landen noch spannend werden zu sehen, wie russisch gelagerte Rechteinhaberschaft aufgelöst werden wird.

  • Jo. Cool. So ein bischen mehr Trennung von Gut und Böse ist schon korrekt.