Finke und Eto’o bei Kamerun: Wer hat wen im Griff?
Trainer Volker Finke hat in Kamerun den Starfußball abgeschafft. Die Frage ist, ob das auch sein Mannschaftskapitän Eto’o weiß.
BERLIN taz | Bei Volker Finke war der Mittelstürmer nur noch der Spieler, der den letzten von vielen gleichwertigen Laufwegen leistete. Der Star war abgeschafft. Der Teamgedanke bekam einen neuen Inhalt zugewiesen: Egalität. Flachhierarchisch im Kollektiv funktionieren. Das war der Kern der Fußballrevolution, die sich ab 1993 von Freiburg ausgehend in Deutschland ausbreitete.
So gesehen ist es ganz schön ironisch, dass Finke, 66, Trainer der zeitweiligen afrikanischen Fußballgroßmacht Kamerun ist, die am Mittwoch auf Kroatien trifft (24 Uhr, ARD). Dort nämlich regierte ein sogenannter Superstar: Samuel Eto’o, dreimaliger Champions-League-Sieger mit Barcelona und Inter Mailand; nun bei Chelsea.
Was Finke über die WM-Qualifikation hinaus in den letzten 14 Monaten vorangebracht hat, ist schwer einzuschätzen. Er bitte um Verständnis, aber Interviews wolle er vor der WM nicht geben, sagte er.
Die ökonomischen und emotionalen Interessen am Nationalteam sind unübersichtlich und sehr divers in Kamerun. Finke soll mindestens vier Aufpasser haben. Da ist es das Geringste, dass das Aushandeln der WM-Prämien von Boykottdrohungen der Spieler begleitet wurde.
Nun war Finke ja vor seinem Amtsantritt als Nationaltrainer anderthalb Jahre Manager beim 1. FC Köln. Chaos dürfte ihm also nicht fremd sein. Aber andererseits war er selbst im ruhigen Freiburg von jedem Drumherum genervt, das er nicht unterbinden konnte.
Europäisch geprägt
Zwar hat sich der traditionelle Starfußball der Afrikaner längst überlebt. Aber er dominiert weiterhin Denken und Strukturen. Ikonografisch für diesen Fußball ist bis heute Roger Milla und jene Leichtfüßigkeit und technische Perfektion, mit der er das Team 1990 scheinbar allein ins Viertelfinale schoss.
Zu folkloristisch darf man sich die Sache aber auch nicht vorstellen: Kameruns Spieler haben bis auf zwei Ausnahmen ihre Arbeitsplätze in Europa. Zwei spielen in Deutschland: Eric Maxim Choupo-Moting (Mainz) und Joel Matip (Schalke). Zum Üben und Logieren kamen die Spieler daher auch lieber in Paris zusammen als in Kamerun.
Ob Samuel Eto’o, 33, seinen Trainer im Griff hat oder Finke den Spieler, ist bislang genauso unbeantwortet wie die Frage, ob der zwischenzeitliche Abschied Eto’os aus der Nationalmannschaft eine pädagogische Maßnahme des Spielers war – oder des Trainers, der damit den Jüngeren im Team ein Zeichen gab.
Dass Finke Macht aufbauen und exerzieren kann, ist keine Frage. Und je flacher die Hierarchie im Team, desto mächtiger ist der Trainer. Aber auch Eto’o betreibe Machtspielchen, heißt es. Etwa wenn er dem Trainer seine Wünsche über seinen Sekretär mitteilen lässt. Das hätte es beim SC Freiburg nicht gegeben. Finkes Sprachregelung lautet: „Man darf ein Individualist sein, aber kein Egozentriker.“
Von Havelse nach Brasilien
Die entscheidende Frage wird sein, ob Finke tatsächlich eine Elf auf den Platz bekommt, die einen Teamfußball spielt, wie ihn etwa Choupo-Moting in Mainz gelernt hat. Das war 2010 nicht so, weshalb Kamerun dreimal verlor und umgehend ausschied. Auch im ersten Spiel gegen Mexiko (0:1) war die Leistung Kameruns eher dürftig. Aber egal ob das Team in der Brasilien-Gruppe weiterkommt: Finke, der gelernte Lehrer und gelernte 68er, hat als Trainer weit ausgeholt. Von Havelse über Freiburg, Japan und Köln führt ihn sein Weg nach Brasilien zur WM.
Anders als andere deutsche Trainer afrikanischer Mannschaften war er schon früher häufig auf dem Kontinent, hat afrikanische Profis in sein Bundesligateam integriert und sie in ihrer Heimat besucht.
Man sagt das immer so, aber es war wirklich ein Lebenstraum von Volker Finke, mit einer afrikanischen Mannschaft zu arbeiten und zur WM zu fahren. Und nun ist er da.
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