Finanzsituation beim Hamburger SV: Von Kühnes Gnaden

Der Hamburger SV präsentiert in seinem „Lagebericht“ deutlich reduzierte Schulden. Die hat er in Schuldscheine bei Investor Klaus-Michael Kühne ausgelagert.

Frank Wettstein und Bernd Hoffmann

Auf Geldsuche: Finanzvorstand Frank Wettstein (links) und Vorstandsboss Bernd Hoffmann Foto: dpa

HAMBURG taz | Tabellen lesen kann jeder Fußballfan. Anders verhält es sich mit wirtschaftlichen Bilanzen und Geschäftsberichten. Ohne Grundkenntnisse sind die detailreichen Zahlenwerke kaum zu überblicken. Bei so viel Finanzakrobatik wie beim Hamburger SV reicht wahrscheinlich nicht einmal ein BWL-Studium.

Daher verwundert es kaum, dass die Lokalpresse den für die Zahlen zuständigen Vorstand Frank Wettstein zwischenzeitlich „HSV-Sanierer“ getauft hatte, obwohl der Klub seit seinem Amtsantritt im Herbst 2014 Verluste in Höhe von über 36 Millionen Euro angehäuft hat. Seit 2011 sind es sogar fast 66 Millionen. Aber der Reihe nach.

Als Wettstein vergangene Woche ausgewählte Journalisten zum Hintergrundgespräch einlädt, hat er, wenig überraschend, wieder einmal wenig Positives zu verkünden. „Wir haben unser Ziel, ein ausgeglichenes Ergebnis für die Saison 2017/18 zu erwirtschaften, nicht erreicht“, erklärt der 45-Jährige auf der vereinseigenen Homepage.

Dabei sehen die Zahlen auf den ersten Blick nicht so schlecht aus wie gedacht. Die Verbindlichkeiten sind von 105 auf 85 Millionen gesunken; der Umsatz ist um elf Millionen auf 133 gestiegen; der Verlust hält sich in Anbetracht der Abstiegssaison mit nur 5,8 Millionen in überschaubaren Grenzen. Also alles auf dem rechten Weg beim HSV?

Mit diesem System ist der HSV dem Investor auf Jahre ausgeliefert

Mitnichten. Das verdeutlicht der 29 Seiten lange Lagebericht der Hamburger. Denn ohne einen Forderungsverzicht des Investors Klaus-Michael Kühne in Höhe von 27 Millionen Euro wäre das Ergebnis der „gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“ ein Minus von 33 Millionen. Forderungsverzichte mindern die Verbindlichkeiten und wirken sich bilanziell als sogenannter „außerordentlicher Ertrag“ positiv auf das Jahresergebnis aus. Experten sprechen hier auch von Bilanzkosmetik. Nicht zum ersten Mal hat Wettstein mit derartigen Maßnahmen seine Zahlen aufgehübscht.

Aber das ist nur eine Seite des wirtschaftlichen Desasters. Die andere sind „Eventualverbindlichkeiten“ von fast 46 Millionen Euro bei Kühne. Der HSV hat dem Logistik-Milliardär zwei „Besserungsscheine“ in Höhe von 33,5 und 12,5 Millionen ausgestellt – zuzüglich Zinsen. Der erste „lebt in Teilbeträgen wieder auf, sollte der HSV in der Saison 2018/19 oder den darauffolgenden drei Spielzeiten festgeschriebene besondere sportliche Erfolge verzeichnen“, heißt es im Text. Bedeutet: Erreicht der HSV seine Ziele, bekommt Kühne einen Teil seines Geldes zurück.

Beim zweiten Besserungsschein partizipiert er sogar an wirtschaftlichen Erfolgen, „sollte der HSV in der Saison 2018/19 einen Tabellenplatz belegen, der ihm Entgelte in bestimmter Höhe garantiert, und zugleich außerordentliche Erlöse erzielen“. Mit diesem System sind die Verantwortlichen ihrem Investor auf Jahre ausgeliefert. Denn sowohl sportliche als auch wirtschaftliche Erfolge sorgen für neue Verbindlichkeiten, die kaum zu tilgen sein dürften.

Ein perfekt gesponnenes Netz

Kühne wiederum kann jedes Mal aufs Neue auf seine Forderungen verzichten und mit weiteren Besserungsscheinen neue Bedingungen diktieren. Ein nahezu perfekt gesponnenes Netz, aus dem ein Ausstieg aktuell nicht vorstellbar ist.

Zumal die Aussicht auf die Zukunft keine Besserung verspricht. Der HSV rechnet im laufenden Geschäftsjahr 2018/19 wegen Umsatzeinbußen von 40 Millionen Euro mit einem Verlust von 20 Millionen. Im Lichte der vergangenen Jahre scheint durchaus möglich, dass das Minus sogar noch größer ausfällt.

Wie will der HSV all diese Herausforderungen aus eigener Kraft stemmen? Darauf muss vor allem Wettstein Antworten liefern. Wobei im Herbst des kommenden Jahres auch noch die Rückzahlung der Fan-Anleihe in Höhe von 17,5 Millionen Euro ansteht. Die Verantwortlichen müssen darauf hoffen, dass auch die kleineren Darlehensgeber auf ihre Forderungen verzichten. Zumindest temporär.

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