Finanzminister will EU-Finanzhilfen: Portugal schlüpft unter den Schirm
Das hoch verschuldete Portugal will nach Aussage seines Finanzministers nun doch die Finanzhilfe der EU beantragen. Erwartet wird, dass das Land 80 Milliarden Euro benötigt.
LISSABON dpa/dapd | Das hoch verschuldete Euro-Land Portugal wird doch die Finanzhilfe der Europäischen Union beantragen. Das erklärte der Finanzminister der geschäftsführenden Regierung, Fernando Teixeira dos Santos, am Mittwoch in Lissabon.
Teixeira dos Santos bestätigte gegenüber der portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa ein Gespräch mit der Onlineausgabe der Wirtschaftszeitung Jornal do Negocios, bei dem er kurz zuvor gesagt hatte, man werde "sofort" ein Hilfsersuchen an Brüssel stellen – es sei "notwendig, auf die zur Verfügung stehenden europäischen Finanzierungsmechanismen zurückzugreifen".
"Portugal wurde in unverantwortlicher Art und Weise an den internationalen Finanzmärkten in eine sehr schwierige Situation gebracht", hatte der Minister dem Blatt in Anspielung auf die Ablehnung des jüngsten Sparpakets der Minderheitsregierung durch die Opposition in Lissabon und den den daran anschließenden Rücktritt von Regierungschef José Socrates erklärt.
Noch habe Portugal keinen Antrag auf Hilfe der Europartner gestellt, sagte Kommissionssprecher Amadeu Altafaj Tardio. Aber die Instrumente stünden bereit. Er verwies auf den befristeten Rettungsschirm EFSF und den ab 2013 eingerichteten Fonds ESM, die klammen Euroländern bis zu 500 Milliarden Euro zur Verfügung stellen können. "Es gibt noch keine Vorbereitungen für ein portugiesisches Hilfsprogramm", sagte Altafaj Tardio. "Aber die Kommission steht bereit, sich einzuschalten."
Portugal hatte am Mittwoch bei einer Auktion von Schatzwechseln eine Milliarde Euro aufbringen können. Allerdings hatten die Investoren hohe Zinsen für die kurzfristigen Anleihen verlangt. Schon länger haben Wirtschaftsanalysten vorhergesagt, dass Portugal bald auf internationale Finanzhilfe angewiesen sein wird. Erwartet wird, dass das Land 80 Milliarden Euro benötigt.
Spanien nimmt Wachstumsprognose zurück
Das unter den Folgen der Schuldenkrise leidende Spanien hatte zuvor am Mittwoch seine Wachstumsprognose für die kommenden beiden Jahre zurückgenommen. Die spanische Wirtschaft werde wegen steigender Zinsen und Ölpreise 2012 wohl nur um 2,3 Prozent wachsen, sagte Wirtschaftsministerin Elena Salgado am Mittwoch.
Zuvor hatte die Regierung noch ein Plus von 2,5 Prozent angepeilt. 2013 werde das Wachstum 2,4 und nicht 2,7 Prozent betragen. Die Europäische Zentralbank wird voraussichtlich am Donnerstag den Schlüsselzins um einen viertel Prozentpunkt auf 1,25 Prozent erhöhen. Experten rechnen bis Ende des Jahres mit einem Leitzinsniveau von 1,75 Prozent. Salgado zeigte sich jedoch zuversichtlich, in diesem Jahr einen Anstieg der Wirtschaftsleistung von 1,3 Prozent erreichen zu können. Allerdings werde die Arbeitslosenquote auf 19,8 nach bisher vorhergesagten 19,3 Prozent zulegen. Die sozialistische Minderheitsregierung hat einen als erfolgreich bewerteten Konsolidierungskurs eingeschlagen.
Deshalb wird Spanien im Gegensatz zu seinem Nachbarn Portugal zurzeit auch nicht mehr als Kandidat für den Euro-Rettungsschirm gehandelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“