Finanzkrise in Griechenland: Die Luft zum Atmen wird knapp
Um Finanzlücken zu stopfen, will die Regierung in Athen Guthaben der Sozialversicherungen per Gesetz einziehen. Wolfgang Schäuble hält einen „Grexit“ für möglich.
ATHEN/WIEN afp/rtr | Angesichts des dringenden Finanzbedarfs von Griechenland will die Regierung in Athen die Sozialversicherungssysteme und andere staatliche Institutionen per Gesetz dazu bringen, ihr verfügbares Guthaben vorübergehend der griechischen Zentralbank und damit dem Staat zu überlassen. Wie das Finanzministerium in Athen am Donnerstag mitteilte, soll die Gesetzesinitiative einen Rahmen für die Verwendung des Kapitals staatlicher Einrichtungen und der Sozialversicherungen schaffen. Im Gegenzug sollen sie eine Staatsgarantie über ihre zur Verfügung gestellten Gelder „im Fall eines Kapitalverlusts“ erhalten.
Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras will so insbesondere die Sozialversicherungen dazu bringen, ihre Guthaben nicht bei kommerziellen Finanzinstituten, sondern bei der griechischen Zentralbank zu deponieren. Sie sollen die Gelder der Zentralbank für einen bestimmten Zeitraum überlassen und dafür die Garantie erhalten, die Einlagen zu einem vorab verabredeten Zeitpunkt und Preis zurück zu bekommen. Ein solcher Transfer an die Zentralbank solle aber nicht zur Pflicht werden, teilte das Finanzministerium mit.
Auf erste entsprechende Ankündigungen hatten einige Chefs der angesprochenen Einrichtungen zurückhalten reagiert. Dennoch bestätigte die Regierung das Vorhaben nun. Griechischen Medien zufolge verspricht sie sich davon zwei Milliarden Euro, die ihr in der derzeit äußerst angespannten Lage ein wenig Luft verschaffen würden.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält einen ungeplanten, unfallartigen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone für möglich. Darin stimme er mit seinem österreichischen Amtskollegen Hans Jörg Schelling überein, sagte er am Donnerstagabend in einem Fernsehinterview des ORF. „Da ja die Verantwortung, die Möglichkeit, zu entscheiden was passiert, nur bei Griechenland liegt, und da wir nicht so genau wissen, was die Verantwortlichen in Griechenland tun, können wir es nicht ausschließen“, sagte er am Rande eines Besuchs in Wien.
„Sich helfen lassen“
Die griechische Regierung kämpft in Gesprächen mit Fachleuten der EZB, der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds (IWF) um deren Zustimmung zu ihren jüngsten Reformplänen. Davon hängt ab, wie schnell die Finanzminister der Euro-Länder ausstehende Hilfsgelder aus dem Rettungsprogramm freigeben. Die Regierung in Athen steht unter Druck, weil sie ihre Schulden weiter bedienen muss.
Schäuble sagte, Griechenland können nur dann weitere Gelder erhalten, wenn sich der Mittelmeerstaat an die Vereinbarungen mit seinen Gläubigern halte. „Europa bleibt bereit, Griechenland zu helfen, aber Griechenland muss sich helfen lassen. Das Problem ist nicht dadurch zu lösen, dass man andere zu Sündenböcken macht.“
Die griechische Regierung hatte sich zuvor formell beim Auswärtigen Amt in Berlin über angeblich beleidigende Äußerungen von Schäuble über seinen Amtskollegen Yannis Varoufakis beschwert. Dieser warf der Europäischen Zentralbank (EZB) zudem eine Politik vor, die Griechenland „die Luft zum Atmen nimmt“.
Die Euro-Länder hatten das Hilfsprogramm für das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland Ende Februar um nochmals vier Monate verlängert. Um weitere finanzielle Unterstützung zu bekommen, muss Athen bis Ende April mit den drei Gläubiger-Institutionen EU, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) ein belastbares Reformprogramm vereinbaren.
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