piwik no script img

Finanzierung von JournalismusZeitung neu denken

Der Bedarf an unabhängigem Journalismus ist groß genug. Das zeigt auch die Coronakrise. Bloß das System muss sich daran anpassen.

Große Nachfrage, wenig Erlöse: Journalismus 2020 Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Ein Missverständnis hält sich hartnäckig. Das lautet: Wer eine Zeitung erwirbt, bezahlt für das, was darin geschrieben steht. Das ist – zumindest in diesem absoluten Tauschverhältnis – nicht richtig. Denn zum einen bezahlt die Zeitungsleserin ja noch Papier, Herstellung, Druck und Vertrieb – Nebenkosten, die gerade tendenziell steigen. Und zum anderen ist dieser „gute Journalismus“, für den die Leserin ihren Abo- oder Stückpreis hergibt, nicht eins zu eins das, was in Textform vorliegt.

Die Leserin zahlt Recherchen mit, die ins Leere laufen. Sie zahlt die Stunden, die jemand im Archiv verbracht hat, um einen Satz zu factchecken, der dann gestrichen wird. Recherchen, die Wochen dauern, obwohl man die Seite ebenso in einem Tag mit ungefährem Halbwissen füllen könnte.

Sprich: Güte und Qualität von Journalismus haben rein gar nichts mit Anzahl der Seiten und Menge der Zeilen zu tun. Heißt: Wer Journalismus verlegt, investiert einen Haufen Kohle in Arbeit, die sich nie in konsumierbares Gut übersetzt. Heißt leider auch: Wer eine Zeitung kauft, bezahlt dafür in der Regel zu wenig.

Deshalb gibt es ja seit jeher Geschäftsmodelle, um die Einnahmen hereinzuholen, die man nicht den Leser*innen aufbürden möchte. Im Journalismusmodell des 20. Jahrhunderts sind das die Anzeigen. Meistens. Bisweilen zahlten auch die reichen Verleger*innen drauf, um ihrer politischen Stimme Gewicht zu verleihen oder sich philanthropisch hervorzutun. Staatliche Presseförderung gibt es ebenfalls in einigen Ländern schon seit Langem.

Ein neues System denken

Wenn jetzt in der Pandemie die Anzeigenerlöse wegbrechen, dann ist das die radikale Beschleunigung eines Trends, der vor Jahrzehnten begann. Katastrophe im Schnellvorlauf. Anzeigenpreise sinken, andere Medien sind längst attraktiver für Werbende als die Tageszeitung. Das kann und muss beunruhigen, denn ohne diverse Presse in Stadt und Land keine funktionierende Demokratie. Wo nicht zumindest zwei unabhängige Nachrichtenunternehmen konkurrieren, ist Nährboden für Korruption und Apathie.

Doch muss man sich vor Augen führen, wer alles Interesse an einem unabhängigen Journalismus hat: nicht nur Leser*innen und werbende Unternehmen. Auch die Zivilgesellschaft – NGOs, Verbände, Initiativen, die auf öffentliche Informationsflüsse angewiesen sind. Internetkonzerne, wegen der Fakenews. Und auch der Staat, der den politischen Willensbildungsprozess ermöglichen soll.

Natürlich müsste die Finanzierung der Presse durch solche Akteur*innen transparent und demokratisch organisiert werden, damit Einflussnahme ausgeschlossen ist. Das gilt für den Staat als Geldgeber ebenso wie für den Umweltverband oder die Mäzenin. Aber zumindest ist klar: Es gibt genug „Abnehmerinnen“ für das „Produkt“ unabhängiger Journalismus. Die Zeitung ist nicht in der Krise. Sondern ihr Finanzierungsmodell, das sich an Lesende und Werbende krallt. Die vorgespulte Katastrophe könnte den Schub geben, das System neu zu denken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Die gedruckte Zeitung wird wohl über kurz oder lang der Vergangenheit angehören.



    Daher müssen die Verlage zwangsläufig Modelle entwickeln wie sie mit mit anderen Medien Einnahmen generieren können.

    Fatal wäre es durch eine Finanzierung z. B. über Steuergelder die eigene Unabhängigkeit aufzugeben.



    Damit würde die Presse sich selbst überflüssig machen.

  • Da unabhängige Presse ein gesellschaftlich notwendiger Teil einer funktionierenden Demokratie ist (vierte Gewalt), sollte die Gesellschaft auch für ihre weitere Existenz sorgen. Ich kann mir vorstellen, dass aus Steuergeldern (die GANZE Gesellschaft unterstützt) jedes Abo, ob Papier oder Online, einen Zuschuss erhält. Schüler-, Studenten-, Empfänger von Sozialhilfe- und Rentnerabos werden mit dem doppelten Betrag unterstützt.

  • Klingt irgendwie nach DDR 2.0

  • NIEMAND ist unabhängig, bei einer Tätigkeit die Geld kostet.