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Finanzforscherin über Wirecard-Skandal„Alarmglocken hätten läuten müssen“

Bei Wirecard waren kriminelle Schaumschläger am Werk. Die Verantwortung liegt bei den Wirtschaftsprüfern, sagt Bankenexpertin Dorothea Schäfer.

Die Bilanzen von Wirecard wurden jahrelang einfach so durchgewunken Foto: Michael Dalder/reuters
Kai Schöneberg
Interview von Kai Schöneberg

taz: Hätten Sie gedacht, dass ein Fall Wirecard in Deutschland möglich ist, Frau Schäfer?

Dorothea Schäfer: Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ein ­Unternehmen in den DAX 30 ­aufgenommen wird – und sich dann herausstellt, dass alles nur heiße Luft ist. Es ist nicht die deutsche Finanzaufsicht ­Bafin allein, die einiges übersehen hat. Es ist auch die Deutsche Börse, die bei der Aufnahme in den DAX nicht genug geprüft hat.

Im Bundestag wird über einen ­parlamentarischen Untersuchungsausschuss nachgedacht. Ist das sinnvoll?

Ehrlich gesagt finde ich das abwegig. Was soll die Politik machen? Sie kann nicht die Bilanzen von Konzernen kontrollieren. Die Wirtschaftsprüfer von EY sind keine Klitsche. Wenn die testieren, dass die Bilanzen in Ordnung sind, ist das schwer anzuzweifeln.

Kann der zuständige Finanzminister Olaf Scholz noch Kanzlerkandidat der SPD werden?

Ja, daran soll es nicht liegen. Da waren Schaumschläger mit krimineller Energie am Werk. Man muss nun darüber nachdenken, wie ihnen das gelungen ist. Die Politik hat Regeln und Gesetze zu entwickeln, sie hat doch keine Bilanzen zu prüfen.

Viele fragen sich, wie die Finanzaufsicht so versagen konnte. Was meinen Sie?

Die Finanzaufsicht war, wie andere auch, unaufmerksam, aber die erste Schuld hat sie nicht.

Sondern?

Die liegt eindeutig bei den Wirtschaftsprüfern. Außerdem ist der Aufsichtsrat das erste Gremium, das den Vorstand kontrolliert.

Die Wirtschaftsprüfer von EY ­haben die Bilanzen von Wirecard ­offenbar jahrelang durch­gewunken – gibt es da strukturelle Pro­bleme?

Bild: DIW
Im Interview: DOROTHEA SCHÄFER

ist Forschungsdirektorin in der Abteilung Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Bei Bilanzprüfungen gibt es hierzulande sicher Interessenkonflikte. Im Zuge der Finanzkrise nach der Lehman-Pleite hat man darüber nachgedacht, Mandate an Wirtschaftsprüfer nur zeitlich limitiert zu vergeben, damit es keine zu engen Verbindungen zwischen Vorstand und Prüfern gibt. Zudem sollten Beratung und Wirtschaftsprüfung getrennt werden. Aber das ist im Sande verlaufen.

Ist es dann nicht umso problematischer, dass sich die Bafin gar nicht für einen Großteil von Wirecard zuständig fühlte?

Bafin und Bundesbank haben entschieden, dass Wirecard ein Technologieunternehmen und kein Finanz­konzern ist. Im Nachhinein war das fatal, weil der Konzern ja nichts anderes getan hat, als Geld hin und her zu schieben.

Cum Ex, Deutsche Bank, Unister und nun Wirecard – die Liste der ­Finanzskandale wird immer länger. Hat die rot-grüne Bundesregierung die Finanzbranche Anfang der nuller Jahre nicht zu weit liberalisiert?

Ich weiß nicht, ob es richtig wäre, die Bafin nun in etwas ganz anderes zu verwandeln. Sie ist damals geschaffen worden, um sektorenübergreifend beaufsichtigen zu können. Das halte ich immer noch für den richtigen Ansatz. Die Deregulierung ist damals aber tatsächlich sehr weit gegangen.

Hat das Nachlässigkeit gefördert?

Ja. Hätte man nicht Bedenken bei Wirecard beiseitegewischt, das aufstrebende Unternehmen in seiner Entwicklung zu behindern, hätte man die Probleme entdeckt. Spätestens bei den ersten Enthüllungen der Financial Times 2019 hätte man genau hinschauen müssen. Die Bafin hätte nicht nur ein Ein-Mann-Rechnungsprüfungsunternehmen engagieren dürfen, sondern alles tun müssen: Alle Alarmglocken hätten läuten müssen.

Wie groß ist der Schaden für den ­Finanzplatz und die Aktionärskultur in Deutschland?

Groß. Als Wirecard-Aktionär wäre ich jetzt ziemlich verzweifelt. Ich würde mich fragen, wie es sein kann, dass man nicht auf der sicheren Seite ist, wenn man in die 30 besten Werte in Deutschland investiert. Auf der anderen Seite gab es Enron, Bernie Madoff oder WorldCom in den USA – und trotzdem investieren dort weiterhin sehr viele in Aktien.

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8 Kommentare

 / 
  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Warum haben die Alarmglocken nicht bei Frau Professorin geläutet?

  • Danke.

    Frage bleibt, sind Deutsche Börse bei Aufnahme Wirecard in den DAX 2019, Bundesfinanzministerium, Bafin, Wirtschaftsprüfer EY, Staatsanwaltschaften wg ihrer unterschiedlich geartet offensichtlichen Unterlassungen im Bereich ihrer jeweiligen Aufgabenstellungen nach Recht und Gesetz, für den Schaden, der durch Wirecard jahrelangen Finanz-, Kredit- , Prospektbetrug, Bilanzfälschungen, Luftbuchungen folgenden Insolvenz für bis dato uneinbringlich gestellte Kredite in Höhe von 3.2 Milliarden € bei Banken in EU, Japan haftbar zu machen?, wenn ja, warum, weil nicht erst in 2019 detaillierte Berichte in Medien, Financial Times, Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK), dass es bei Wirecard bilanztechnisch nicht mit rechten Dingen zugehen könne, nicht nur ignoriert wurden, sondern Anzeigen gegen Financial Time, SdK wg. angeblich wettbewerbsverzerrender Berichterstattungen zum Nachteil von Wirecard durch die Bafin aufgegeben, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen auslösten?

    Wenn nicht, sollte Bundestag Gesetz zur Amtshaftung reformieren, entsprechende Auflegung eines Entschädigungsfonds veranlassen, Staatsanwaltschaften die Arbeit erleichtern durch Abschaffung politischen Weisungsrechts in Bund, Ländern jeweiliger Regierungen, Einführung deutschen Unternehmensstrafrechts nach Gesetzesvorlage Justizministerin Christine Lambrecht SPD Juli 2019, s Koalitionsvertrag Groko Januar 2018, dessen Lesung im Bundestag aussteht.

    Wer in dieser Richtung mit gehen wiil, lade ich ein, meine Petition zu unterzeichnen

    weact.campact.de/p...frecht-einzufuhren

    • @Joachim Petrick:

      Drogenhändler zahlen ihre täglichen Umsätze auf Prepaid Wirecard Karten ein. Sie spielen zum Schein mit diesen Einsätzen



      bei Online-Casinos oder kaufen vermeintlich Produkte bei fake shell companies. Die Spielgewinne im Falle der



      Casinos werden an die kriminellen Organisationen über weitere Firmen in Offshore-Ländern ausgeschüttet.



      So haben wir den benötigten Geldwäsche Kreislauf (Phase 1+2). Die Geldwäsche Kommisionen (1,9 Mrd EUR?)



      verbleiben innenfinanziert vorübergehend bei Wirecard.



      Geldwäsche im grossen Stile findet fast ausschliesslich in den IT-Abteilungen grosser Konzerne statt.

      So wie AT&T in den 90ern (vor 9/11; "Ein Schelm, der...") über die niederländische AT&T Unisource Milliarden



      aus europäischem Drogenhandel für u.a. die NSA zur Bildung strategischer schwarzer Kassen -vorbei an



      parlamentarischen Budgetkontroll-Gremien in die USA transferierte, so hat auch Wirecard für deutsche Nachrichtendienste



      über Geldwäsche im Dritt-Acquiring Geschäft in Asien eine deutsche NSA finanziert. Augustus-Intelligence als Mittler für NSA-Auswertungs



      -Algorithmen von in Deutschland illegal erworbenen Massendaten.

  • Ist es nicht hoheitliche Aufgabe des Staates für Recht und Ordnung zu sorgen? Diese Verantwortung darf nicht an private Firmen delegiert werden.



    Das Bundesfinanzministerium hat es versäumt, ein Frühwarnsystem zu etablieren. Alle Signale wurden ignoriert. Es herrschte kollektive Nichtzuständigkeit. Es gab keinen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der es erlaubt hätte Prozesse und Strukturen laufend den Gegebenheiten anzupassen. Das ist das eigentliche Versäumnis des Bundesfinanzministers! So etwas nennt man üblicherweise Führungsversagen.



    Wieviele Fehlentscheidungen an der Spitze des Staates kann sich diese Gesellschaft noch leisten?



    Sollten Minderleister in Führungspositionen nach Höherem streben?

    Lieber nicht.

    • @Petrosilius:

      Ergänzt.

      "Ist es nicht hoheitliche Aufgabe des Staates für Recht und Ordnung zu sorgen? Diese Verantwortung darf nicht an private Firmen delegiert"







      Frage ich mich auch.







      Frage ist auch, ungeachtet Anfangsverdacht krimineller Energie bei Wirecard, Bilanzen zu fälschen, ob bestehendes Bilanzrecht bisher zu viele Möglichkeiten offen lässt für kreative Buchhaltung im Laufe eines Geschäftsjahres bis zu dessem Abschluss im nächstem Jahr, Rück-, und Vorbuchungen von Umsätzen, Erträgen vorzunehmen, engagiert vorweggenommen prognostizierte Umsätze als in der Röhre befindlich über Kredit finanzierten Zukauf von Umsätzen durch Firmenübernahmen real in Bilanzen zu führen, weil jahrelang Erwartungen übertroffen wurden, was gerade im Massengeschäft von Unternehmen, die wie Alphabet, Alibaba, Google, Facebook, AOL, Yahoo, Twitter, Microsoft, Apple, Samsung, Huwai, Amazon, Ebay, Wirecard im Geschäftsmodell digitalisiertem Zahlungsverkehr unterwegs Bilanz Alltag ist, ständig angeblich generierte Wachstumszuwächse, latente Steigerung der Kreditwürdigkeit assistiert von Ratiing Agenturen, publik machen, Quartal für Quartal für computergesteuert hochfrequenten Handel mit Aktien, Derivaten, Zertifikaten, Anleihen, EFTs, Index abbildende Wertpapieren, Börsenaufsichten an allen Börsenplätzen der Welt prognostiziert per Stichtag vorlegen bis sich das z. B. durch eine Krise wie die Corona Pandemie im vollen Lauf eines nicht vorhersehbaren Ereignis, einem sog. „Schwarzen Schwan“; in sein Gegenteil verkehrt?







      •Nach Wirecard Finanzbetrug sollten wir Globalplayer Alphabet, Alibaba, Google, Facebook, AOL, Yahoo, Twitter, Microsoft, Apple, Samsung, Huwai, Amazon, Ebay deren Arten möglicherweise kreativer Buchführung nicht außer Acht lassen, denn Wirecard ist für mich in Zeiten der Null- bis Negativzinspolitik, ständig virtueller Geldmengenweitung der Zentralbanken, nur die Spitze eines finanzpolitisches Global Eisberges auf Crashkurs.

    • @Petrosilius:

      "Ist es nicht hoheitliche Aufgabe des Staates für Recht und Ordnung zu sorgen? Diese Verantwortung darf nicht an private Firmen delegiert"

      Frage ich mich auch.

      Frage ist auch, ungeachtet Anfangsverdacht krimineller Energie bei Wirecard, Bilanzen zu fälschen, ob bestehendes Bilanzrecht bisher zu viele Möglichkeiten offen lässt für kreative Buchhaltung im Laufe eines Geschäftsjahres bis zu dessem Abschluss im nächstem Jahr, Rück-, und Vorbuchungen von Umsätzen, Erträgen vorzunehmen, engagiert vorweggenommen prognostizierte Umsätze als in der Röhre befindlichen Zukauf von Umsätzen durch Firmenübernahmen real in Bilanzen zu führen, weil jahrelang Erwartungen übertroffen wurden, was gerade im Massengeschäft von Unternehmen, die wie Alphabet, Alibaba, Google, Facebook, AOL, Yahoo, Twitter, Microsoft, Apple, Samsung, Huwai, Amazon, Ebay, Wirecard im Geschäftsmodell digitalisiertem Zahlungsverkehr unterwegs Bilanz Alltag ist, ständig angeblich generierte Wachstumszuwächse publik machen, Quartal für Quartal für computergesteuert hochfrequenten Handel mit Aktien, Derivaten, Zertifikaten, Anleihen, EFTs, Index abbildende Wertpapieren, Börsenaufsichten an allen Börsenplätzen der Welt prognostiziert per Stichtag vorlegen bis sich das z. B. durch eine Krise wie die Corona Pandemie im vollen Lauf eines nicht vorhersehbaren Ereignis, einem sog. „Schwarzen Schwan“; in sein Gegenteil verkehrt?

      Nach Wirecard Finanzbetrug sollten wir Globalplayer Alphabet, Alibaba, Google, Facebook, AOL, Yahoo, Twitter, Microsoft, Apple, Samsung, Huwai, Amazon, Ebay deren Arten möglicherweise kreativer Buchführung nicht außer Acht lassen, denn Wirecard ist für mich nur die Spitze eines finanzpolitisches Global Eisberges auf Crashkurs

  • Der Name Karl-Theodor zu Guttenberg fiel bereits in der Amthor-Augustus-Affäre (z. Guttenberg warb bei Kanzlerin Merkel für Augustus Intelligence).



    Nun, in Verbindung mit dem Wirecard-Skandal, wird der Name zu Guttenberg erneut genannt; seine Firma beriet Wirecard.



    Ist dieser adlige Bayer so ein genialer Lobbyist und Berater, welcher es versteht aus seinen wirtschaftlichen Tätigkeiten – legal – Kapital zu schlagen? Oder geht es hier ähnlich zu wie in seiner Doktorarbeit; mit ein wenig Schummelei sich eigene Vorteile zu verschaffen?

  • Die von einigen wenigen Unternehmen beherrschte Branche der Wirtschaftsprüfer ist trotz vieler Skandale nie angetastet worden. Sie werden von denen bezahlt, die sie kritisch prüfen sollen, ein Unding, denn wer will schon seine besten Kunden verlieren oder deren Solvenz anzweifeln.



    Ich bin sehr gespannt, wie Scholz dieses uralte Problem konkret lösen möchte. Nachdem nicht einmal die Trennung von klassischen Bankgeschäften vom oft virtuellen Investment nach der Finanzkrise durchgesetzt werden konnte, fragt man sich, wozu es überhaupt noch eine Sozialdemokratie gibt (siehe auch: www.sueddeutsche.d...ulieren-1.1167091).



    Bei Wirecard wird zudem klar, dass keine Normalverdiener* mit klarem Verstand sich auf eine solche Aktienunkultur einlassen sollten, um ihren Lebensabend oder die Zukunft der Kinder abzusichern. Aber genau das fordern neoliberale Konservative, von FDP und CDU bis zu den Wirtschaftsseiten einiger Medien, nämlich private Vorsorge über Aktienpakete (schon ihre Berichterstattung ist viel zu sehr auf das Börsengeschehen fokussiert, anstatt weniger spekulative Formen des Einsatzes von Finanzmitteln zu beleuchten, von Beteiligungen zu Genossenschaften).



    Dabei hat der Markt in den vergangenen Finanzkrisen Tausende persönliche Finanzpläne in Luft aufgelöst. Er funktioniert eben nur für die einigermaßen, die schon vorher Verluste verkraften konnten oder außergewöhnlich gut beraten wurden.