Filmkomödie „Fearless Flyers“ im Kino: Hier wird Flugangst behandelt
Der Kinofilm „Fearless Flyers“ ist eine hintergründige Komödie über Flugangst. Auf engstem Raum steuert der Film in Richtung Reykjavík.
Flugangst ist an sich überhaupt nicht lustig – und darüber hinaus evolutionsgeschichtlich gut begründet, denn der Mensch ist nun einmal nicht als fliegendes Wesen konzipiert. Eine Komödie über einen für die Betroffenen als Urangst empfundenen Panikzustand zu drehen, ist daher keine unbedingt naheliegende und auf jeden Fall kühne Idee.
Der isländische Filmregisseur Hafsteinn Gunnar Sigurðsson hat es dennoch gewagt und unter Einsatz einer sehr trockenen, dabei gar nicht schwarzen Art von Humor ein filmisches Kammerspiel hingezaubert, das für die beteiligten DarstellerInnen ein Schauspielfest gewesen sein muss. Und das uns neben dem Gefühl, auf hohem Niveau unterhalten zu werden, auch noch jede Menge schöner Bilder liefert.
Letzteres liegt auch am Setting, denn ein großer Teil des Films spielt auf Island. Er beginnt allerdings in London, wo eine Gruppe von Menschen den Kurs „Fearless Flyers“ gegen Flugangst absolviert. Nach einem theoretischen Teil soll der Praxistest in Form eines Probeflugs folgen, den die KursteilnehmerInnen gemeinsam mit der Kursleiterin absolvieren. Doch die patente Dame, die großes Vertrauen bei ihren Schützlingen genießt, ist am Flugtag verhindert und ihr unerfahrener Stellvertreter Charles (Simon Manyonda) allein mit der Gruppe.
Nachdem die Hälfte der TeilnehmerInnen schlagartig die Flucht ergriffen hat, bleiben neben Charles nur vier Personen übrig, die todesmutig den Flieger nach Reykjavík besteigen. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Da ist Sarah (Lydia Leonard), eine gestandene Bauunternehmerin aus London, die erstmals mit ihrem neuen Freund und dessen kleiner Tochter den Urlaub verbringen will, Panik vor dem Flug auf die Kapverden schiebt und klammheimlich den Flugangst-Kurs gebucht hat. Sarah ist so etwas wie die Hauptperson des Films oder auf jeden Fall die Identifikationsfigur für die ZuschauerInnen, denn ihr Problem hat ganz normal mit Liebe und anstrengender Beziehungsarbeit zu tun.
Eindrucksvoll verkorkst
Die anderen „Fearless Flyers“ kommen uns menschlich nicht ganz so nah, sind dafür als Typen umso eindrucksvoller verkorkst. Timothy Spall verkörpert Edward, einen blasierten Schriftsteller, der in Lateinamerika einen Literaturpreis entgegennehmen soll und dessen Flugtrauma damit zusammenhängt, dass er einst als Soldat im Falklandkrieg gekämpft hat.
„Fearless Flyers“. Regie: Hafsteinn Gunnar Sigurðsson. Mit Lydia Leonard, Timothy Spall u. a. Deutschland/Island/Großbritannien 2023, 97 Min.
Die übrigen zwei bilden ein Pärchen, von dem nur er ein Flugangstproblem hat, während sie als Influencerin damit Geld verdient, überall auf der Welt ihren Arsch in die Kamera zu halten, wie Coco (Ella Rumpf) selbst es formuliert. Da ihr verdruckster Freund Alfons (Sverrir Guðnason) es ist, der die fantastischen Bilder von ihr macht, muss er aber in alle Welt mitfliegen können. Denn er sei „an asset“, erklärt Coco Sarah und klingt dabei nicht sehr verliebt.
Natürlich gibt es Komplikationen beim Testflug, und wie geplant gleich zurückfliegen können die schwer Geprüften auch nicht, da die Maschine nicht so schnell repariert werden kann. So werden sie in einem Wellness-Hotel untergebracht, irgendwo in der verschneiten isländischen Landschaft.
Eingesperrt auf engstem Raum
Die Situation ähnelt einem klassischen huis clos, einem Drama, das sich als Folge des Eingesperrtseins einer Gruppe von Menschen auf begrenztem Raum entwickelt. Sarah kann sich nicht mit der Lage abfinden, hatte sie doch am selben Abend noch von London aus ihrem Freund auf die Kapverden hinterherfliegen wollen. Sie verzweifelt daran, ihn nicht erreichen zu können, denn blöderweise gab es auch noch ein fatales Missverständnis.
Lydia Leonard spielt Sarahs innere Getriebenheit mit einer Note very britischer Beherrschtheit, hinter der ein Vulkan an Verzweiflung lodert. Timothy Spall als Edward gibt, kühl zurückgenommen im Gestus, das spitting image eines Romanciers und Gentleman, während sein Handeln gleichzeitig unangemessen militärisch aus dem Ruder läuft. Nur der stille Alfons scheint nach einer überraschenden Begegnung geradezu ein anderer Mensch zu werden.
Unter aller präzise platzierten Komik läuft gleichzeitig ein anderer, ernsterer Film mit, der davon handelt, dass jeder Mensch mit seinen Dämonen (meistens) ganz allein ist. Niels Thastums Kamera fängt dieses schicksalhafte Geworfensein immer wieder in ikonischen, statischen Bildern ein, die an Edward Hopper erinnern: ein erschöpfter Mann in einer Badewanne, eine Frau allein an einer Bartheke, ein Hotel, das wie ein gerade gelandetes Raumschiff im Nirgendwo liegt.
Doch diese Momente der visuellen Wahrheit währen immer nur kurz und sind weich eingebettet in ein wohltemperiert absurdes Geschehen, das Situations- und Typenkomik wunderbar verwebt. Und weil das Ganze eine Komödie ist, gibt es am Ende aller existenziellen Wirrnisse selbstverständlich eine weiche Landung.
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