Filmfestival Cannes Cannes Tag 10: Starkstrom bis zum Ende

Der neue Film von Bong Joon-ho könnte nicht harmloser anfangen. Doch er nimmt eine düstere Wendung.

Eine Gruppe von Menschen - Frauen in der ersten, Männer in der zweiten Reihe - posieren für ein Foto

Das Ensemble von „Parasite“ (Gisaengchung) mit Regisseur Director Bong Joon-ho Foto: reuters

Netflix hat im Wettbewerb von Cannes ja seit einer Weile nichts mehr zu melden. Zuletzt waren 2017 noch zwei Filme des Streamingdienstleisters gelaufen, was für eine Kontroverse gesorgt hatte und zum De-facto-Ausschluss der Filme aus dem Wettbewerb führte. Einer war „Okja“ des Koreaners Bong Joon-ho. Der ist dieses Jahr wieder im Wettbewerb, ohne Netflix, dafür mit „Gisaengchung“ (Parasite), einer bösen Gesellschaftsfarce.

Fängt alles ziemlich harmlos an. Die Familie von Ki-taek (Kang-ho Song) wohnt zu viert im Souterrain, WLAN holt man sich von der Nachbarin, Arbeit haben weder die Eltern noch die zwei Kinder im jungen Erwachsenenalter. Dann bekommt der Sohn Ki-woo (Choi Woo-shik) von einem Freund ein reizvolles Jobangebot. Er soll ersatzweise die Englisch-Nachhilfe für die Tochter der reichen Familie Park übernehmen, gut bezahlt.

Ki-woo erhält von der Familie eine Zusage, war halt auch eine Empfehlung vom eigenen Nachhilfelehrer. Bald bemerkt Ki-woo, dass der verhaltensauffällige Sohn von Familie Park gern malt. Er rät zu Kunsttherapie, kenne da auch eine sehr versierte Bekannte, die in Illinois studiert habe. So wird Ki-woos Schwester Ki-jung (Park So-dam) ebenfalls in den Haushalt eingeführt, denn die Kunsttherapeutin ist niemand anderes als sie.

Der gute Name zählt extrem viel

Von da an nehmen die Ereignisse zunächst ihren linearen Lauf, denn der titelgebende Parasit ist niemand anderes als die Familie von Ki-taek selbst, die sich ihre eigene Reputation schafft. Damit kommen sie bei der statusbewussten Familie Park bestens an. Bong Joon-ho nimmt diesmal eine elegant-nüchterne Villa als markanten Ort, an dem sich Klassenunterschiede zuspitzen lassen. Und in der der gute Name extrem viel zählt. Man muss ihn sich nur zu geben wissen.

Was wie eine rasante Screwball-Comedy beginnt, in der die Verstellung ihrer Protagonisten als serielles Prinzip durchgespielt wird, nimmt irgendwann eine sehr düstere Wendung. Drastische Gewalt gehört bei koreanischen Filmen eben gern dazu. Die Unbarmherzigkeit, mit der Bong Joon-ho auch in diesen Teilen der Handlung zu Werke geht, sorgt in Kombination mit einem wunderbar pointierten Drehbuch dafür, dass „Parasite“ seine Spannung bis zum Ende auf Starkstrom hält.

Fragwürdige identitäre Positionen bietet hingegen „Evge“ in der Reihe „Un certain regard“. Eigentlich schön, dass mit dem Regisseur Nariman Aliev ein Krimtatare in Cannes seinen Debütfilm zeigen kann und diese auf der Krim marginalisierte Minderheit im Festival repräsentiert. Unerfreulich ist aber, was für ein reaktionäres Frauenbild der Film propagiert. Hinzu kommt ein Islamverständnis, dass arg in Richtung Islamismus deutet. Was hat das in Cannes zu suchen? Obendrein noch so öde erzählt?

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